21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Bach: Transcriptions

Bach: Transcriptions
Bach: Transcriptions

Bearbeitungen und Transkriptionen Bach’scher Werke gibt es wie Sand am Meer. Bereits Wolfgang Amadeus Mozart hatte einige Fugen aus dem «Wohltemperierten Klavier» für Streichtrio sowie Streichquartett arrangiert; andere Komponisten folgten ihm mit weiteren Übertragungen nach. Es liegt fraglos an der gleichsam «abstrakten», allumfassenden musikalischen Faktur, dass auch noch heute unzählige Adaptionen, vielleicht mehr als je zuvor, einem auf CD, in den Medien oder auch auf der Straße begegnen: von dem der Kälte trotzenden Akkordeonspieler bis hin zum professionell agierenden Ensemble, das den ganzen Generalbass durch eine Kontrabass-Balalaika ersetzt. Immer wieder wundervoll und auch bei Minusgraden oder sonstigen Unzulänglichkeiten unkaputtbar.

Im Konzertsaal ist hingegen nur selten eine der herausragend (um-)instrumentierten Partituren zu hören – gleich ob von Schönberg oder Casella, Webern oder Stokowski, Schumann oder Reger. Es gibt mithin unzählige und bei weitem noch immer ungenutzte Möglichkeiten, sich auf diesem indirekten Wege (nicht: Umweg) der Bach’schen Musik von anderer Seite aus zu nähern.

Umso erfreuter nahm ich daher die vorliegende Box mit dem verheißungsvollen Titel «Bach Transcriptions» zur Hand – und wurde fast durchgehend enttäuscht.

Zunächst: Ich habe nichts dagegen, wenn ein Label nach geraumer Zeit seinen Katalog durchkämmt oder auch (meist wohl schon geplant) eine ganze Serie von Produktionen nach Jahren mit einer wohlfeilen Box nochmals einem weiteren Käuferkreis anbietet: Aus diesem Holz sind alle in dieser Hörbar-Staffel (#032) besprochenen Veröffentlichungen geschnitzt. In dieser Kompilation aber finden sich weitgehend Beliebigkeiten – will sagen: neuere Arrangements, die manche Komposition oder auch Werkreihe gerade mal für ein anderes Instrument passend gemacht haben, ohne einen wirklichen musikalischen Mehrwert zu erzeugen. Dabei treten spieltechnische Grenzen hervor (Cello-Suiten auf dem Bariton-Saxophon), anderes sorgt angesichts einer nicht mehr tragenden Idiomatik für Stirnrunzeln (Violin-Sonaten und Partiten für Gitarre). Doch auch die Übertragungen für Cembalo von Gustav Leonhardt blieben auf halbem Wege stehen. Da höre ich schon lieber das Original mit dem ergänzten Klavierpart von Robert Schumann.

Vom Repertoire her überzeugen allerdings die Busoni-, mehr aber noch die raren d’Albert-Transkriptionen – auch als Zeugnisse längst verklungener und aus der Mode gekommener Interpretationsstile. Am Ende steht eine CD mit Stokowski-Arrangements, jedoch ohne Stokowski am Pult. Tatsächlich stellt sich hier die Frage, ob seine Breitband-Bearbeitungen nur in auktorialer Aufführungspraxis (dynamisch überzogen und etwas schlampig gespielt) funktionieren und atmosphärisch überzeugen. Mit einem gestandenen Sinfonieorchester und unter der versierten Leitung von José Serebrier wirkt dieser orchestrale Überzeugungs-Turbo einfach zu ordentlich.


Bach Transcriptions (20 CDs)

  • Goldberg-Variationen BWV 988 (Arr. für Blockflötenquintett von María Martínez Ayerza),
  • Sonaten und Partiten für Violine solo BWV 1001–1006 (Arr. für Gitarre von Francesco Teopini),
  • Suiten für Violoncello solo BWV 1007–1012 (Arr. für Saxophon von Henk van Twillert),
  • Oboenkonzert F-Dur BWV 1053R,
  • Konzert für Oboe d’amore A-Dur BWV 1055R,
  • Oboenkonzert g-Moll BWV 1056R,
  • Konzert für Oboe d’amore nach Sätzen aus den Kantaten BWV 100, 170 und 30,
  • Doppelkonzert für Oboe und Violine BWV 1060R,
  • Konzert für Blockflöte G-Dur nach den Arien aus BWV 32 und 215,
  • Konzert für Blockflöte B-Dur BWV 1055R, Konzert für Blockflöte D-Dur BWV 1053R,
  • Konzert für Blockflöte d-Moll BWV 1059R,
  • Liebster Jesu, wir sind hier BWV 731 für Blockflöte und Ensemble,
  • Violinkonzerte BWV 1041–1043 (Arr. für Orgel solo von Daniele Boccaccio),
  • Triosonaten BWV 525–530 (Arr. für Flöte und Cembalo),
  • Goldberg-Variationen BWV 988 (Arr. für Streichtrio von Dmitri Sitkovetsky),
  • Orgelkonzert d-Moll nach Sätzen aus BWV 146, 188, 152,
  • Cembalokonzert d-Moll nach BWV 35 und 1059,
  • Konzert G-Dur für Viola da braccio nach BWV 1055;
  • Konzert D-Dur für 3 Violinen nach BWV 1064,
  • Suiten BWV 995–998 für Gitarre,
  • Partita BWV 1004 für Gitarre,
  • Präludium BWV 999 für Gitarre,
  • Fuge BWV 1000 für Gitarre, Sonaten und Partiten für Violine solo BWV 1001–1002, 1004–1006 (Arr. für Cembalo von Gustav Leonhardt),
  • Suiten für Violoncello solo BWV 1010 und 1012  (Arr. für Cembalo von Gustav Leonhardt);
  • Allemande a-Moll aus BWV 1013 und Sarabande c-Moll aus BWV 997 (Arr. für Cembalo von Gustav Leonhardt),
  • Präludium und Fuge D-Dur BWV 532 (Arr. für Klavier von Ferruccio Busoni BV B 20),
  • Präludium und Fuge Es-Dur BWV 552 (Arr. für Klavier von Ferruccio Busoni BV B 22),
  • Toccata, Adagio und Fuge C-Dur BWV 564 (Arr. für Klavier von Ferruccio Busoni BV B 29/1),
  • Toccata und Fuge d-Moll BWV 565 (Arr. für Klavier von Ferruccio Busoni BV B 29/2),
  • Chaconne d-Moll BWV 1004 (Arr. für Klavier von Ferruccio Busoni BV B 24),
  • 10 Choralvorspiele (Arr. für Klavier von Ferruccio Busoni BV 27),
  • Präludium und Fuge e-Moll BWV 533 (Arr. für Klavier von Ferruccio Busoni BV B 26),
  • Präludium und Fuge d-Moll BWV 532 (Arr. für Klavier von Eugen d’Albert),
  • Fantasie und Fuge c-Moll BWV 537 (Arr. für Klavier von Eugen d’Albert),
  • Präludium und Fuge G-Dur BWV 541 (Arr. für Klavier von Eugen d’Albert),
  • Toccata und Fuge F-Dur BWV 540 (Arr. für Klavier von Eugen d’Albert),
  • Präludium und Fuge A-Dur BWV 536 (Arr. für Klavier von Eugen d’Albert),
  • Präludium und Fuge f-Moll BWV 534 (Arr. für Klavier von Eugen d’Albert),
  • Toccata und Fuge d-Moll BWV 538 (Arr. für Klavier von Eugen d’Albert),
  • Passacaglia c-Moll BWV 582 (Arr. für Klavier von Eugen d’Albert), Air aus
  • Orchestersuite Nr. 3 D-Dur BWV 1068 (Arr. für Orchester von Leopold Stokowski),
  • «Schafe können sicher weiden» aus BWV 208 (Arr. für Orchester von Leopold Stokowski),
  • Kleine Fuge g-Moll BWV 578 (Arr. für Orchester von Leopold Stokowski),
  • Choral «Komm, süßer Tod, komm selge Ruh’» BWV 478 (Arr. für Orchester von Leopold Stokowski),
  • «Jesus Christus, Gottes Sohn» aus BWV 4 (Arr. für Orchester von Leopold Stokowski),
  • «Es ist vollbracht» aus Johannes-Passion BWV 245 (Arr. für Orchester von Leopold Stokowski),
  • Choral «Wir glauben all an einen Gott» BWV 680 (Arr. für Orchester von Leopold Stokowski),
  • Choral «Nun komm, der Heiden Heiland» BWV 599 (Arr. für Orchester von Leopold Stokowski),
  • Toccata und Fuge d-Moll BWV 565 (Arr. für Orchester von Leopold Stokowski),
  • Largo aus Cembalokonzert f-Moll BWV 1056 (Arr. für Orchester von Leopold Stokowski),
  • Choral «Wachet auf, ruft uns die Stimme» BWV 645 (Arr. für Orchester von Leopold Stokowski),
  • Choral «Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ» BWV 639 (Arr. für Orchester von Leopold Stokowski),
  • Choral «Ein feste Burg ist unser Gott» BWV 302 (Arr. für Orchester von Leopold Stokowski),
  • «Jesu, bleibet meine Freude» aus der BWV 147 (Arr. für Orchester von Leopold Stokowski)

Seldom Sene (Blockflötenquinett), Francesco Teopini (Gitarre), Henk van Twillert (Saxophon), Andrius Puskunigis (Oboe, Oboe d’amore), Simona Venslovaite (Violine), St. Christopher Chamber Orchestra, Donatas Katkus (Dirigent), Erik Bosgraaf (Blockflöte), Ensemble Cordevento, Daniele Boccaccio (Orgel), Mario Folena (Flöte), Roberto Loreggian (Cembalo), Amati String Trio, Insieme Strumentale di Roma, Luigi Attademo (Gitarre), Sandro Ivo Bartoli (Klavier), Emanuele Delucchi (Klavier), Bournemouth Symphony Orchestra, José Serebrier (Dirigent)

Brilliant Classics 95943 (1999–2018)

 

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 3 von 5 in Michael Kubes HörBar #032 – Bach in the Box