18. Januar 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
Kellhuber: Contemporary Chamber Music

Kellhuber: Contemporary Chamber Music

Man muss eigentlich nur die ersten 20 Sekunden Musik hören, dann hat man schon alles gehört, was man hören muss. Ich habe die Tonfolgen beim Spazierengehen wie ein Ohrwurm im Gehörgang. Die Musik des Pianisten ist so kondensiert und präzise, das wird auf der Stelle klar, wenn man dieses erste Stück der „Contemporary Chamber Music“ hört. Chamber Music? Es ist ein Solo am Piano über 10 Strecken. Gewiss nicht alle so konzentiert und kondensiert wie bei Part I. Chamber Music ist es nicht so sehr, eher ein ganz tolerantes Spiel

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Düppe: The Beat

Düppe: The Beat

Willkommen im neuen rhythmischen Testament. Was für ein Album aus dem Nichts heraus, so scheint es. Innerhalb des NEUSTART Kultur-Programms realisiert. Und was gut! Und mit welchem Anspruch. „Im Anfang war der Beat …“ und der Beat war bei Jens Düppe. Und Jens Düppe hörte, dass es gut war. Und Odilo Clausnitzer ebenso und der Rezensent ebenfalls. Alles archaisch, generisch und utopisch. Der Promotiontext holt aus von der Genesis und landet nicht zufällig bei einem „tractatus drumologico metaphysicus“. Aus Beat wird Mus. Aus dem wird Rhyth …  Da bleibt kein

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Muriel Grossmann – Reverence

Muriel Grossmann – Reverence

Was für eine musikalische Energie und Klang- und Rhythmus-Suppe sich gleich mit dem ersten Track „Okan Ti Aye“ augenblicklich ausbreitet. Die seit 2004 in Ibiza lebende Französin Muriel Grossmann hat hier etwas gewebt, das die Grafik des Covers verheißt. Verschlungene, saftige und doch auf einem einfachen Melos beruhendes buntes Gewusel. Das hält nicht die ganze Platte über so extrem konspirativ an. Doch über weite Strecken. Ibiza wirkt plötzlich gar wie ein Brennpunkt musikalische Weltkultur. Besonders aber referenziert die Musik auf diejenige des afrikanischen Kontinents. Sowohl in rhythmischer Gestaltung wie auch

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Philipp Wisser – Just a Glimpse

Philipp Wisser – Just a Glimpse

Man muss nicht überall große Wort dazu machen. Da machen fünf Männer eine CD an der man nichts auszusetzen haben kann, außer, dass man an ihr nicht einmal etwas aussetzen kann. Die Tracks murkeln so vor sich hin, mal im Chorus, mal wieder solistisch, alles im Lot soweit. Ja. Läuft durch. Könnte aber auch alles ganz anders sein. Philipp Wisser – Just a Glimpse Ruven Weithöner – trumpet, flugelhorn Christoph Klenner – tenor saxophone Philipp Wisser – electric guitar Malte Winter – electric bass Marvin Andrä – drums Jazzsick Records

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Udi Shlomo – Diaspora House

Udi Shlomo – Diaspora House

Solide Musikfreude bereitet dieses Quintett. Ein Haufen toller Musiker macht einen Haufen gut komponierte Musik mit unzerstörbaren Arrangements und Kompositionen. Musik, in die man sich hineinlegen mag, von der man sich umspült wissen mag. Was will man mehr? Was will man mehr? Hier ein melodischer Haken extra? Da eine fallengelassene Achtel? Uiuiui! Muss nicht. Wenn die beiden Saxophonisten aufblasen, bleibt wird Luftmolekül dahin bewegt, wo es sein muss („Shalom Lachem“). Es wirbelt bei dieser Aufnahme gerne, klingt eben dann auch vollsatt wie aus den 70er-Jahren beim amerikanischen Quartett von Keith

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Arthur Hnatek Trio - Static

Arthur Hnatek Trio – Static

Es brodelt, nix static. Feinstrukturen in Rhythmus und Harmonik. Dazu muss sich das Trio nicht überschlagen. Es reicht einfach, sich konsequent und mit einer geradezu abstrakten Klarheit kompositorisch zu formieren. So ein bisschen mondrianartig wirkt das. Fast maschinisch. Aber man soll sich da nicht irren, es brodelt dabei und die Musik webt sich dabei. Überhaupt ist alles dabei. Im Bauplan bewegt sich spinnenartig das Saxophon von Francesco Geminiani. Ein musikalisches Netz, das mit einem Faden beginnen mag, sich symmetrisch entwickelt mit Laufbahnen und Klebelinien. Statisch! Bewegt durch musikalisches Wetter –

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Uygar Çağlı – Ting

Uygar Çağlı – Ting

Ein Debut-Album, finanziert über Crowdfunding des Bassisten, Komponisten, Arrangeurs und Produzenten Uygar Çağlı. „Er absolvierte Grazer Jazz&Pop Konservatorium und der Anton Bruckner Universität / Linz mit Auszeichnung,“ liest man in seiner Biographie auf seiner Website. Und ebenso, dass es sich bei seiner Band um „eine multikulturelle Formation mit ausgezeichneten Musikern aus Österreich, Türkei und Taiwan“ handle. Ich kann der Musik einiges abgewinnen. Gewiss ist sie angesiedelt im Bereich von Fusion, Jazz und World – was im Prinzip eigentlich auch, genau genommen, sowieso alle Musik ist. Aber man kann derlei Musik

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concatenate – U+1F407; U+1F990

concatenate – U+1F407; U+1F990

Man erkennt schon am Titel: Äh? Da hat sich keine einen Hau gemacht, wie man das wohl im Radio vorstellen wird können. „Ich hätte da gerne die Platte Uh plus Eins eff Vier Null Sieben Semikolon Uh plus Eins eff Neun Neun Null“. Ui, schräg das, oder? Moment, der Fahrstuhl ist noch außer Betrieb. Hier gilt erst mal nur E-Gitarre und Violoncello zu verketten, wie Hase ? (U+1F407) und Schrimp ? (U+1F990) im Unicode-Format. Möööönsch. „Bei concatenate treffen Kante auf Textur, Konzept auf Intuition, Holz auf Silizium. Cello und elektrische

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Samuel Leipold – Viscosity

Samuel Leipold – Viscosity

Gehört für mich in die Kategorie „Seltsame Musik“. Warum? Weil sie kaum anfassbar ist, eine Installation in Tönen und Klängen eher als ein Stück geworfener Musik. Also eher eine Art Tonmöbel – einerseits. Leipold beschreibt die Musik selbst als „Resultat einer sehr intensiven Phase der Beschäftigung mit so unterschiedlichen Einflüssen wie moderner klassischer Gitarrenmusik, im speziellen die Musik Toru Takemitsus, oder elektronischer Ambient Musik.“ Das hilft einem nicht so ganz auf die Sprünge. Eher noch die kryptische Klarheit, die sich sich in den Worten „Jedes der neun Stücke bildet in

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Flanagan – In His Own Sweet Time

Flanagan – In His Own Sweet Time

Geheimnis! Wie intim kann Musik klingen. Gespielt wie nur für einen selbst. Enja legt mit Tommy Flanagans Konzertmitschnitt aus dem Jazzclub Birdland Neuburg aus dem Jahr 1994 jetzt so eine unglaublich zerbrechliche wie zugleich unzerstörbare Aufnahme mit diesem Pianisten vor! Was geht da ab, um Himmels Willen? Zehn Standards gibt der Pianist Leben, Form und Bild. Ja, nicht anders als überschwänglich muss man solche Abende nennen. Dass diese sich auch in Form von digitalen gepressten Fixierungen mitteilen ist ein so übergroßes Glück. Man kann es kaum fassen. Elegant, aristokratisch, leidenschaftlich,

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Bernd Kaftan – Rooms and Places

Bernd Kaftan – Rooms and Places

Da ist viel Platz, da ist viel Raum. Bernd Kaftans Pianospiel ist nicht atemraubend, es klingt nach einer musikalischen Einladung, die klingt wie ein guter Freund, den man auf einer musikalischen Wanderung begleitet. Impressionistische Landschaften in Klängen breiten sich über den Flügel aus, auch im Sinne einer daran orientierten Jazzharmonik, die eben wenig den Rhythmus pflegt bei dem man sprichwörtlich mit muss. Jedenfalls in den beiden ersten Tracks. Durchaus mutiger geht es im Unisonospiel über einige Oktaven weiter. Aber die entstehende Musik behält die Hörenden immer in ihrer Mitte, umfängt

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Lyle Mays – Eberhard

Lyle Mays – Eberhard

Man müsste wohl sehr weit ausholen, wenn man die historische Bedeutung dieser nachgelassenen Aufnahme des amerikanischen Keyboarders Lyle Mays beschreiben müsste, der letztes Jahr am 10. Februar 2020 gestorben ist. Über seine inneren musikalischen Beziehungen zum Bassisten Eberhard Weber, dem er diesen Track von etwas mehr als 13 Minuten verehrt und die am 27. August 2021 erschienen ist. Das Stück flottiert vor sich hin in minimalistischen Bewegungen, zitiert den Klang von Webers Bass, hinter dem mit zahlreichen Ostinati gearbeitet wird die dann quasi in symphonische Texturen übergehen. Alles fließt. Ein

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