2. Mai 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
LutosAir Quintet

LutosAir Quintet

Mit diesem Album geht das LutosAir Quintet neue Wege für das klassische Holzbläserquintett. Nicht nur, dass es sich bei den drei eingespielten Werken polnischer Komponisten um neuere Partituren aus den Jahren 2017, 2018 und 2019 handelt. Zwei der Werke erweitern die Besetzung, indem sie ein zusätzliches Instrument vorschreiben, dass ausdrücklich nicht integriert wird: So verlangt Paul Preusser (1974) einen zu improvisierenden Trompetenpart (ad libitum), Nikola Kolodziejczyk (1986) explizit eine konzertierende Bassklarinette. Ein wenig erinnert das an jene Werke der Kammermusik, bei denen zu einem Streichquartett ein Blasinstrument hinzutritt (meinst eine

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Camarilla Ensemble

Camarilla Ensemble

Bei diesem Album hat es tatsächlich ein altes Werbeplakat von British Rail aus dem Jahre 1970 aufs Cover geschafft. Damals hieß es voller Stolz «Now Only Six Hours Away by Inter-City». Angezeigt werden soll damit wohl, wie breit und über alle Landesteile hinweg die Werkzusammenstellung erfolgte, die wahrlich keinen «Hit» parat hat, sondern auf die Vielfalt des Repertoires und der jeweils individuellen musikalischen Sprachen setzt – zumal alle Werke hier in Ersteinspielung vorliegen (was man angesichts der sehr unterhaltsamen und an Farben reichen Partituren kaum glauben möchte). Ist also der

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The Carl Nielsen Quintet

The Carl Nielsen Quintet

In diesem Fall täuscht der Name des Ensembles. Denn das dänische Carl Nielsen Quintet hat auf dem Album nicht etwa das eine phänomenale Werk des Namenspatrons aufgenommen, sondern fünf Kompositionen des jungen Niels Viggo Bentzon (1919–2000) – und davon gleich vier Partituren in Ersteinspielung. Zu Gehör kommt damit einer der produktivsten und im Verhältnis dazu: unbekanntesten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Nahezu 1000 Kompositionen zählt das Werkverzeichnis von Bentzon. Die fünf Nummern für Holzbläserquintett stammen aus der ersten Zeit zwischen 1943 (op. 21) und 1958 (op. 116) und zeigen deutlich seine

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ARUNDOSquintett

ARUNDOSquintett

Denkt man an das Holzbläserquintett, kommen einem bald die repertoirebildenden Werke von Anton Reicha und Franz Danzi in den Sinn. Auch wenn die an Klangfarben so reiche Besetzung aus Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott nach diesem furiosen Start im frühen 19. Jahrhundert alsbald als Gattung stagnierte, ist sie seit den 1920er Jahren umso lebendiger. Beigetragen haben dazu zunächst herausragende Einzelkompositionen ganz unterschiedlicher Couleur (Hindemith, Schönberg, Carl Nielsen), seit einigen Jahren sind aber wieder neue junge Ensembles «am Start» – und mit ihnen geht es geradewegs auf Entdeckungstour durch den

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Franck 200 / Complete Orchestral Works

Franck 200 / Complete Orchestral Works

Die Archive der längst Geschichte gewordenen «Majors» sind offenbar nur bei den ganz großen Komponisten so gut und nahezu komplett gefüllt, dass man ohne aufwändige Neuproduktionen mit Geburtstagsboxen ein nahezu sicheres Geschäft zu machen glaubt. Denn zu einer wirklich vollständigen Box ist es im Jubeljahr von César Franck nicht gekommen. Man mag das bedauern – und doch hat es den Vorteil, nicht alles aus einer Hand zu bekommen und dabei einer einzigen favorisierten aufführungspraktischen und akustischen Ästhetik zu folgen. Selbst bei der vorliegenden Zusammenstellung sämtlicher Orchesterwerke mit dem Königl. Philharmonikern

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Franck 200 / Mélodie française

Franck 200 / Mélodie française

Noch immer ist diesseits des Rheins viel zu wenig bekannt über das französische Lied des 19. Jahrhunderts – und zwar sowohl über die «mélodie» als auch über «le lied». Eine der auf den ersten Blick kaum wahrgenommenen Lücken schließt dieses Doppelalbum mit den entsprechenden Kompositionen von César Franck. Und fast möchte es ausrufen: Wo anders als beim Label Bru Zane sollte solch eine Produktion erscheinen? Und dennoch: Die etwas weiträumig, zumindest indirekt wirkende Einspielung aus dem venezianischen Palazzetto erscheint mir nicht ganz angemessen für eine Gattung, die im Salon zuhause

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Franck 200 / Tanguy de Williencourt

Franck 200 / Tanguy de Williencourt

Oft genug wird die Werkzusammenstellung eines Albums von äußeren Vorgaben bestimmt. Dabei spielte früher (und spielt offenbar auch noch heute) die Frage der Auffindbarkeit eine große Rolle: Entweder werden bekannte Sinfonien und andere Orchesterwerke, Konzerte und Konzertstücke eingespielt. Oder es stehen gleich allein die Künstler und Ensembles im Rampenlicht mit (leider nur selten) kunstsinnigen oder (oft genug) bloß bunt zusammengestellten Recitals. Angesichts dieser merkwürdig anmutenden Vorgaben des Marktes erscheint das vorliegende Album mit Tanguy de Williencourt anders. Zwar stellt es eine Art Recital dar – der Pianist setzt in keinem

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Franck 200 / Eliot Quartett

Franck 200 / Eliot Quartett

Merkwürdigerweise ist das Streichquartett D-Dur von César Franck, das dieser 1889/90 nur wenige Monaten vor seinem Tod vollendete, kaum bekannt. Denn es wird hierzulande viel zu wenig selbst von den etablierten, namhaften Ensembles gespielt. Die Gründe dafür sind vielfältig und liegen einmal in der das ganze Œuvre umfassenden Außenseiterrolle des Komponisten im Konzertsaal (in der Gattung Streichquartett zumal in der Konkurrenz mit Werken von Debussy und Ravel), ferner in der anspruchsvollen zyklischen Anlage der Form und der sich darin spiegelnden Beethoven-Rezeption, die den Anspruch für Interpretation und Rezeption vorgibt. Kaum

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Franck 200 / Lviv National PO

Franck 200 / Lviv National PO

Nahezu unbemerkt steht der 200. Geburtstag von César Franck (1822–1890) in den kommenden Tagen an. Im deutschsprachigen Musikleben wird er wohl eher unspektakulär vorüber gehen. Doch auch in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ist mir Francks sinfonische Musik kaum einmal live im Konzertsaal begegnet, die bekannte Sinfonie d-Moll (seine einzige) und die auf einer Bürger-Ballade beruhende sinfonische Dichtung Le Chasseur maudit ausgenommen – eine jener Kompositionen, die nach 1871 in Frankreich die eigenständige Orchestermusik wieder belebten und in manchen Gesten an Berlioz erinnert. Kombiniert mit drei weiteren sinfonischen Dichtungen und

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Vienna 1900

Vienna 1900

Auch hier stimmt die als Motto gewählte Jahreszahl nicht ganz. Vielmehr ist mit «Wien 1900» eher ein «Wien um 1900» gemeint – also jene Zeit, in der sich die alte Donaumetropole längst in eine Stadt mit mondänem Ring und historisierendem Rathaus gewandelt hatte (die heutige breite Einbahn-Autoschneise gibt so gut wie nichts mehr von der einstigen breitflächigen Anlage wieder). Von den ausgefahren Bahnen der Musik setzten sich Schönberg und sein Kreis schon in den ersten Jahren des neuen Säkulums ab, auch wenn man heute viel stärker ihre Nähe zu den

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Vienna 1905–1910

Vienna 1905–1910

Nach der Jahrhundertwende war Wien mehr als nur die altgediente Metropole einer sich ihrem Ende nähernden Doppelmonarchie. Sie war vor allem ein Hotspot der Kultur – ein Schmelztiegel vieler Nationen und Entwicklungen, in dem gleichermaßen konservative Kräfte wirkten wie auch eine sich neu formierende und orientierende Avantgarde in Musik, Kunst, Drama und Literatur. Der Aufbruch in das 20. Jahrhundert konnte kaum vielfältiger sein, und doch wird er musikalisch bis heute vor allem durch die Protagonisten der «Zweiten Wiener Schule» repräsentiert. So auch auf diesem Album mit je einer herausragenden Komposition

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Paris 1900

Paris 1900

Mit einigem Glück zeichnet sich beim französischen Label Indesens eine neue, höchst instruktive Reihe mit Kammermusik aus der Zeit der Wende ins 20. Jahr-hundert ab. Derweil ist unter dem gleichbleibenden Motto «Paris 1900» jeweils ein eigenes Album mit klavierbegleiteten Werken für Flöte, Trompete und hier: für Oboe erschienen. Um vielleicht das Wichtigste dieser Produktionen vorweg zu nehmen: Eingespielt wurde in allen Fällen kaum einmal ein Werk, das man gemeinhin kennt. Es ist ein Füllhorn des Repertoires, das hier ausgegossen wird. Nun gehöre ich nicht zur Oboen-Zunft, reibe mir aber die

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