25. April 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
Paria (1869)

Paria (1869)

Es ist eine tragische Geschichte im doppelten Sinne. Zum einen die auf der Bühne, wo am Ende einmal mehr die sozialen Widerstände dem glücklichen Ausgang im Wege stehen, zum anderen für Stanisław Moniuszko selbst, der sich mit seiner Oper Paria Zugang zur internationalen Szene erhofft hatte. Doch ausgerechnet diese Partitur wurde bereits nach der sechsten Aufführung am Warschauer Teatr Wielki abgesetzt. Die Gründe dafür sind leicht auszumachen: Moniuszko war aus dem ihm bereits zugesprochenen typischen Rahmen schlichtweg ausgebrochen – und was man hörte, wurde zwar mit Respekt aufgenommen, aber keineswegs

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Straszny dwór (1865)

Straszny dwór (1865)

Nach der gefeierten Premiere der Halka in ihrer vieraktigen Fassung wurde Stanisław Moniuszko mit Beginn der Saison 1858/59 zum Chefdirigenten der Opera Narodowa, der Polnische Nationaloper, im Warschauer Teatr Wielki ernannt. Sogleich entfaltete er seine Tätigkeit für die Bühne – unter anderem mit dem letztlich vergeblichen Versuch, eine seiner Partituren auch in Paris aufführen zu lassen. Bedingt durch die politischen Entwicklungen jener Jahre blieb Moniuszko hier wie auch anderswo der internationale Durchbruch indes versagt. Zugleich wurde sein Hauptwerk, die vieraktige Oper Straszny dwór (Das Geisterschloss) nach drei überragend aufgenommenen Aufführungen

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Halka (1848)

Halka (1848)

Nicht immer muss ein Opern-Standard auch die beste Fassung des Werkes sein. Denn anders als bei Sinfonien oder Streichquartetten (oder überhaupt bei Instrumentalmusik) eröffnen sich im Bereich der Kompositionen für die Bühne schon genrespezifisch weitaus mehr (Un-)Möglichkeiten. Beispielsweise wurden in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts munter Pasteten (pasticci) als «best of» gebacken, in anderen Fällen Arien einfach ausgetauscht, um die Stimme der Sänger:innen optimal zur Geltung zu bringen. Seit dem 20. Jahrhundert greift das Regietheater bisweilen in die Partitur ein. Hinzu kommen all jene Fälle, in denen die Komponisten

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Hrabina (1860)

Hrabina (1860)

Außerhalb Polens stellt Stanisław Moniuszkos im Libretto wie auch musikalisch leichter gefasster Dreiakter Hrabina (1860) eine Rarität dar. Das mag viele Gründe haben, vielleicht steht auch der sich betont national aufdrängende Charakter der Musik ihr international im Wege: Es gibt für derartige Partituren einfach an allen Orten zu viele Mitbewerber um eine Inszenierung. Erzählt wird zudem eine recht simple und nicht weiter dramatische Geschichte um Gefühle und gesellschaftliche Etikette. Hier kann der flotte Ulan Kazimierz nicht so recht den Erwartungen einer jung verwitweten Gräfin entsprechen – am Ende kommt er

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Halka (1858)

Halka (1858)

Vor drei Jahren wurde sein 200. Geburtstag hierzulande kaum wahrgenommen, der nun folgende 150. Todestag auch nicht. Dennoch kann wenigstens hinsichtlich der Bilanz auf dem Schallplattenmarkt auf einiges zurückgegriffen werden, was noch vor (oder sogar: während) Corona produziert wurde. Ob damit allerdings mehr substanzielle Kenntnis über das Leben und Schaffen von Stanisław Moniuszko (1819–1872) in die Breite dringt oder auch seine zahlreichen Werke bekannter werden, sei dahingestellt. Was bleibt, ist wenigstens die Möglichkeit, sich hörend zu informieren und zu bilden und die Musik des bedeutendsten polnischen Opern-Komponisten des 19. Jahrhunderts

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Enso – Strings & Percussion

Enso – Strings & Percussion

Eine Musik der Geduld, eine Musik der Freundlichkeit. Eine Musik, die wie eine große Einladung an das Hörorgan und seine diese Signale verarbeitenden Nervenzellen zu verstehen ist. Es beginnt mit wenig: Ein tiefer Streicher (Stefan Schönegg am Kontrabass) spielt lange sukzessiv erklingende gestrichene Einzeltöne, die aus dem Nichts zu kommen scheinen und selbst auf dem Rand der akustischen Wahrnehmbarkeit vibrationslos schwanken, die Tonregion neigt sich zunächst im Wankelschritt abwärts, ehe sie wieder länger steigt. Die Intervalle sind eher klein. Eine wunderschön modulierte Musik mit Schrammen, nicht poliert und lackiert. Erst

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Labelli & Turchet: Bordo Fiume

Labelli & Turchet: Bordo Fiume

Piano und Bass: Das könnte eine gemütlich-engagierte Platte werden, zumal sie sich hat inspirieren lassen von den musikalischen Welten Kenny Wheelers und John Taylors, wie die Liner Notes dieses bereits 2021 bei Da Vinci Jazz erschienen Werks künden. Ein bisschen sind die Stücke auch danach: gemütlich und engagiert, hier im Sinne von «gewollt» und «bemüht». Aber auch einfach etwas hölzern im Flow der kompositorischen Anlage der einzelnen Tracks. Es fehlt gerade im Pianospiel Daniele Labelli das Federnde, das die Musik fluffig und elegant machen würde. Das merkt man gleich im

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Belfiato Quintet

Belfiato Quintet

Nach dem Debüt-Album mit Werken von Josef Bohuslav Foerster, Leoš Janačék und Pavel Haas sowie einer international hoch gelobten Produktion mit Kompositionen von Anton Reicha legt das Prager Belfiato Quintet nun eine weitere CD vor, auf der Bekanntes und Unbekanntes eine wunderbare Melange eingehen – oder: Standardpartituren für Bläserquintett mit eher selten zu hörenden kombiniert werden. Zu diesen Raritäten zählt etwa das Quintetto op. 13 (1964) von Arvo Pärt mit drei sehr knapp gefassten Sätzen in undogmatischer Dodekaphonie und einer geradezu lapidaren, ironisch abschließenden Schlusskadenz. Doch auch die an sich

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LutosAir Quintet

LutosAir Quintet

Mit diesem Album geht das LutosAir Quintet neue Wege für das klassische Holzbläserquintett. Nicht nur, dass es sich bei den drei eingespielten Werken polnischer Komponisten um neuere Partituren aus den Jahren 2017, 2018 und 2019 handelt. Zwei der Werke erweitern die Besetzung, indem sie ein zusätzliches Instrument vorschreiben, dass ausdrücklich nicht integriert wird: So verlangt Paul Preusser (1974) einen zu improvisierenden Trompetenpart (ad libitum), Nikola Kolodziejczyk (1986) explizit eine konzertierende Bassklarinette. Ein wenig erinnert das an jene Werke der Kammermusik, bei denen zu einem Streichquartett ein Blasinstrument hinzutritt (meinst eine

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Camarilla Ensemble

Camarilla Ensemble

Bei diesem Album hat es tatsächlich ein altes Werbeplakat von British Rail aus dem Jahre 1970 aufs Cover geschafft. Damals hieß es voller Stolz «Now Only Six Hours Away by Inter-City». Angezeigt werden soll damit wohl, wie breit und über alle Landesteile hinweg die Werkzusammenstellung erfolgte, die wahrlich keinen «Hit» parat hat, sondern auf die Vielfalt des Repertoires und der jeweils individuellen musikalischen Sprachen setzt – zumal alle Werke hier in Ersteinspielung vorliegen (was man angesichts der sehr unterhaltsamen und an Farben reichen Partituren kaum glauben möchte). Ist also der

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The Carl Nielsen Quintet

The Carl Nielsen Quintet

In diesem Fall täuscht der Name des Ensembles. Denn das dänische Carl Nielsen Quintet hat auf dem Album nicht etwa das eine phänomenale Werk des Namenspatrons aufgenommen, sondern fünf Kompositionen des jungen Niels Viggo Bentzon (1919–2000) – und davon gleich vier Partituren in Ersteinspielung. Zu Gehör kommt damit einer der produktivsten und im Verhältnis dazu: unbekanntesten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Nahezu 1000 Kompositionen zählt das Werkverzeichnis von Bentzon. Die fünf Nummern für Holzbläserquintett stammen aus der ersten Zeit zwischen 1943 (op. 21) und 1958 (op. 116) und zeigen deutlich seine

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ARUNDOSquintett

ARUNDOSquintett

Denkt man an das Holzbläserquintett, kommen einem bald die repertoirebildenden Werke von Anton Reicha und Franz Danzi in den Sinn. Auch wenn die an Klangfarben so reiche Besetzung aus Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott nach diesem furiosen Start im frühen 19. Jahrhundert alsbald als Gattung stagnierte, ist sie seit den 1920er Jahren umso lebendiger. Beigetragen haben dazu zunächst herausragende Einzelkompositionen ganz unterschiedlicher Couleur (Hindemith, Schönberg, Carl Nielsen), seit einigen Jahren sind aber wieder neue junge Ensembles «am Start» – und mit ihnen geht es geradewegs auf Entdeckungstour durch den

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