26. April 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
José Castel / Streichtrios

José Castel / Streichtrios

Was für eine schöne Idee, die drei Grundfarben Gelb, Rot und Blau auf das Cover zu setzen und mit jeder übernächsten Doppelseite durch einen markanten Pinselstrich neu zu mischen. Ähnlich ist es im Streichtrio mit der Besetzung Violine, Viola und Violoncello, die sehr offen klingt – keine vierte oder fünfte Stimme füllt oder verstärkt. Wirklich alles in der Faktur muss genau erwogen sein und ausgewogen werden, auch wenn sich (gleich dem Streichquartett oder Klaviertrio) ständig neue Konstellationen ergeben können. So auch bei José Castel (1737–1807) und seinen um 1785 in

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Españoletas / Concierto Iberico

Españoletas / Concierto Iberico

Es war die Zeit, in der die ersten Formen einer eigenständigen Instrumentalmusik entstanden, sich im Gebrauch verstetigten und rasch entwickelten. Als Mitte des 16. Jahrhunderts Intavolierungen von Motetten, Madrigalen und Chansons kaum mehr ausreichten, die Bedürfnisse der Stadtpfeifereien, aber auch der städtischen Eliten zu befriedigen, kamen stilisierte Tanzsätze, abwechslungsreich gestaltete Variationen oder auch Stücke über einen ostinaten Bass in Mode. Freilich geben die meist in Sammeldrucken überlieferten Sätze nur das notierte Gerüst einer viel bunteren Aufführungspraxis wieder – sowohl im Zentrum Europas wie auch in Spanien, von wo in dieser

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Mompou / Mélodies et Chansons

Mompou / Mélodies et Chansons

Nur selten ist die Musik von Federico Mompou (1893–1987) live oder auf einem Album zu hören – und wenn, dann handelt es sich meist um eine Auswahl von Klavierstücken. Einzelne Lieder oder gar einen seiner Liederzyklen begegnet man hingegen selten. Umso interessanter ist daher diese Einspielung mit insgesamt 23 Nummern, darunter vier Sammlungen, die zwischen 1925 und 1973 entstanden sind. Sie zeugen von der für Mompous Schaffen charakteristischen stilistischen Geschlossenheit, die sich selbstständig in einer Art Spätimpressionismus entfaltet, in sich aber stets verschattet und melancholisch bleibt: Der im katalanischen Barcelona

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Boccherini / Symphonies op. 35

Boccherini / Symphonies op. 35

Heute erreicht man die Metropolen der iberischen Halbinsel schnell und – im Verhältnis zum hinterlassenen «Klima-Abdruck» – zu billig. In dem für Künstler und Musiker reisefreudigen 18. und 19. Jahrhundert lagen Spanien und Portugal allerdings weit abseits der üblichen Routen. Noch heute stehen dem raschen Landweg die Pyrenäen im Weg, früher musste meist eine Schiffspassage gebucht werden (über das Mittelmeer oder durch die gefährliche Biskaya). Warum es den jungen Luigi Boccherini als aufstrebenden Komponisten und Virtuosen auf dem Violoncello nach ersten Erfolgen in Italien, Wien und Paris ausgerechnet in diesen

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Sebastian George / A Lifelong Journey

Sebastian George / A Lifelong Journey

Dieses Album ist eine Rarität. Das betrifft zunächst das Label Perfect Noise aus Waldenbuch (vor dort kommt auch die quadratische Schokolade her), vom dem ich bisher rein nichts gehört hatte. Dabei offenbaren nicht erst die jüngsten Produktionen, mit wie viel Engagement hier Schätze produziert werden – Schätze, die es in sich haben, interpretiert von Künstlern und Ensembles, die eine Bleibe für die Ergebnisse und Erkenntnisse ihrer Entdeckungsreisen gefunden haben. So auch das in Köln beheimatete, international besetzte Ensemble Altera Pars, das sich nicht das erste Mal beim Graben nach unerhörtem

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Railroad Rhythms

Railroad Rhythms

Ab geht die Post! Oder doch eher: «Vorsicht an der Bahnsteigkante!» Komponisten erging es einst so wie heute noch den staunenden Kinderaugen, wenn ein Zug erhaben im Bahnhof steht oder auf freier Strecke elegant vorbeizieht. Früher faszinierte wohl auch die unmittelbar greifbare Wandlung von Wasserdampf in Bewegung – natürlich verbunden mit schwarz verrußtem Dampf, vor allem mit einem echten Pfeifen der vor Kraft strotzenden Lokomotive. Diese Zeiten sind (die Museumsbahnen ausgenommen) längst Vergangenheit – eine Epoche, mit deren klimatischem Erbe man sich heute herumschlägt. Und dennoch: Wer schon einmal auf

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Journeys / Music from Five Continents

Journeys / Music from Five Continents

In der Konzertdramatugie gibt es eine ganze Reihe ungeschriebener Regeln, an die sich nahezu alle Klangkörper in gefühlt 99,9 Prozent ihrer Programme halten. Da gibt es zunächst einen «Aufwärmer», dann ein Solo-Konzert (und hier dann leider meist mit Klavier oder Violine, seltener schon Violoncello – andere Instrumente sind kaum vorstellbar…). Nach der Pause folgt eine der großen Sinfonien des Repertoires. Einige Werke (oder auch allgemeiner: Werkgruppen) haben da schlichtweg keine Chance und keinen Platz (weil entweder die Besetzung nicht passt oder die Partitur eine zu lange Aufführungsdauer hat, als viel

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Habbestad / Quattro stazioni

Habbestad / Quattro stazioni

Die Gleiskreuzung des Covers lässt verschiedene Assoziationen aufkommen. Etwa an das oft nur kurze Überschneiden von Wegen, die dann wieder zügig auseinanderlaufen (das kennt wohl jeder aus der eigenen Biographie), oder tatsächlich an ein so genanntes Gleisvorfeld. (Wer kein regelmäßiger Zug-Reisender ist: Das ist die Strecke vor einem Bahnhof, während der es immer ruckelt und man vor den Türen hin und her geworfen wird, bis endlich der angezeigte Bahnsteig erreicht ist). Der norwegische Komponist Kjell Habbestad (geb. 1955) nimmt es nicht so wörtlich (kein Wunder, das Streckennetz seiner Heimat ist

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Suppé / In 80 Tagen um die Welt

Suppé / In 80 Tagen um die Welt

Sommerzeit ist Reisezeit. Dem will und kann sich auch die «Hörbar» nicht entziehen und bricht daher in dieser Folge zu neuen Horizonten und zu unbekannten Partituren auf, von denen die meisten erst (wieder-)entdeckt werden mussten. Es handelt sich also nicht um tönende Ansichtskarten, sondern um eine dicht getaktete Expedition, bei der man nicht den Anschluss verpassen sollte. (NB. Haben Sie den Newsletter der Hörbar schon abonniert?) Die Reise beginnt mit nicht weniger (und auch nicht mehr) als einer Weltumrundung. Freilich nicht auf einem mondänen Kreuzfahrtschiff oder in einem dahinjagenden Düsenjet.

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Carl Nielsen / Fabio Luisi

Carl Nielsen / Fabio Luisi

Mitunter kann auch ein Großlabel richtig überraschen. So jüngst die Deutsche Grammophon, die doch sonst so gerne (und erstaunlich zielsicher) jede populäre Welle abreitet. Ich musste mir verblüfft die Augen reiben, als ich im Newsletter die Ankündigung einer Neueinspielung aller Sinfonien von Carl Nielsen las. Denn am Horizont taucht kein Jubeljahr auf, und im Konzertrepertoire fristen die Werke noch immer ein Schattendasein. Dabei steckt Nielsens Musik voller Genie und Witz, hat einen sehr eigenen, unverkennbaren und dabei dänisch geprägten Tonfall, nimmt mit ihrem anziehenden Esprit für sich ein, kann aber

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