10. Mai 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
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Wolfgang Amadeus Mozart: Le Testament Symphonique – Le Concert des Nations, Jordi Savall

Mozarts später Sinfonien-Trias nimmt sich Jordi Savall in gewohnt enzyklopädischer Weise an: mit einem dicken mehrsprachigen Booklet, aber auch auf einer Doppel-CD, die den Bezug der Werke untereinander herstellen soll. Die doppelte Abbildung von KV 550 ermöglicht es, einmal die Sinfonien in Es-Dur und g-Moll, ein anderes Mal die in g-Moll und C-Dur unmittelbar aufeinander folgend zu hören (wenn man nicht ohnehin eine kleine Pause machen möchte). Warum dies aber mit derselben Einspielung geschieht, bliebt ein Rätsel; jedenfalls hätte sich bei einer solchen Disposition die Produktion beider „Fassungen“ geradezu angeboten

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François-Joseph Gossec: Symphonies op. IV – Deutsche Kammerakademie Neuss, Simon Gaudenz

Eigentlich ist es kaum zu glauben, dass dieses Opus 4 im Jahre 1759 gedruckt wurde – so modern ist es und so klar ist darin schon die Zukunft der Gattung zu erkennen. Die Mannheimer Schule mit ihren Manieren lugt dabei aus allen Ecken und Enden hervor. Tatsächlich war François-Joseph Gossec (1734–1829) kein gestriger Komponist, er avancierte in Paris zu einem gefragten Kapellmeister und Komponisten. Als „offizieller Komponist“ der französischen Revolution schuf er zahlreiche Gebrauchsmusiken, die ebenso funktional wie herausragend waren. Vielleicht ist also mit dieser CD endlich ein Anfang gemacht,

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Si j’ai aimé: Französische Orchesterlieder von Berlioz und anderen – Le Concert de la Loge, Julien Chauvin

Ein glitzerndes Collier musikalischer Edelsteine wird hier in einer fraglos hochkarätigen Einspielung geboten. Bei ihr drängt sich nichts orchestral auf, vielmehr erscheint manches in vollkommen neuem klanglichem Gewand, wie etwa die bekannte Villanelle aus den Nuits d’été von Hector Berlioz. Geradezu entzückend klingt das übersichtlich besetzte Concert de la Loge auf historischen Instrumenten (seinen bisherigen, aus einer etablierten Konzertreihe des ausgehenden 18. Jahrhunderts stammenden Zusatz „olympique“ hat das Olympische Komitee kassieren lassen – was für eine verrückte, markengeile, geschichtslose Welt). Sandrine Piau singt das präsentierte Repertoire herrlich unforciert mit viel

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Jean Sibelius: Lemminkäinen Suite op. 22 u.a. – BBC Symphony Orchestra, Sakari Oramo

Diese Produktion hat mich enttäuscht, obwohl ich einige Einspielungen unter der Leitung von Sakari Oramo wirklich schätze, etwa die der Sibelius-Sinfonien von vor 15 Jahren. Hier aber rauscht die vierteilige Lemminkäinen Suite op. 22, eines der mir in Sibelius’ Schaffen liebsten Werke, ohne jeden inneren Nachhall vorüber. Zwar professionell gespielt, mutet sie im ganzen ungeschliffen an, ohne Atmosphäre oder Imagination – zumal im direkten Hörvergleich zu der älteren Einspielung von Mikko Franck mit dem Swedish Radio Symphony Orchestra, die es eigentlich in jeder Sammlung geben sollte (Ondine). Jean Sibelius: Lemminkäinen

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Felix Mendelssohn: Mendelssohn in Birmingham – Vol. 5

Sammler aufgepasst! Zwar wird diese CD als fünfte Folge der Reihe „Mendelssohn in Birmingham“ gezählt, doch finden sich unter den acht eingespielten Werken nicht weniger als drei Reprisen. Und dennoch wird man die als Konzertouvertüren konzipierten oder als solche aufführbaren Kompositionen (Paulus, Athalia) kaum in einer vergleichbaren Zusammenstellung finden. Versiert aufspielend, gelingt es dem traditionsreichen Klangkörper allerdings nicht, den zahlreiche Passagen prägenden Elfen-Ton zu treffen. Das muss nicht von Nachteil sein, klingt so doch manch genialer Wurf einfach nur ein paar Jahre älter und ernster – und damit im Sinne

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Chameleon: Werke von Georg Philipp Telemann – New Collegium

Telemann hat wahrlich viel geschrieben – aber ein Vielschreiber war er keinesfalls. Weit eher könnte man sagen, dass er es auf wunderbare Weise verstand, die unterschiedlichen nationalen Stile seiner Zeit kompositorisch originell zu bedienen und (mehr noch) zu vermischen. Der Titel dieses Albums spielt darauf an: Telemann als ein musikalisches Chamäleon. Doch auch das eingespielte Programm gleicht einer Tarnkappe: Neben zwei vollständigen Sonaten, einem raren Concerto und einem Quartett finden sich viele Einzelsätze mit spezifischen (Klang-)Reizen – von dem niederländischen Ensemble „New Collegium“ wirklich als Kammermusik interpretiert und gespielt. Ein

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Pianistische Miniaturen von Komponistinnen – Viviane Goergen (Klavier)

Dies ist eine dieser CDs, die gemischte Gefühle aufkommen lässt. Natürlich handelt es sich um durchweg hörenswerte Musik. Doch wer wirklich etwas für Komponistinnen von einst tun möchte, der sollte (wo möglich) sich auf Werke aus gewichtigeren Gattungen als dem charakteristischen Klavierstück fokussieren. Denn was Viviane Goergen präsentiert, ist eine Folge von interessanten Piècen – wenig für eine Expedition, an deren Ende eine wie auch immer geartete Form der musikgeschichtlichen Rehabilitation stehen soll. Wunder sind also nicht zu erwarten. Pianistische Miniaturen von Komponistinnen: Werke von Mel Bonis, M. Roesgen-Champion, O. Sikóva-Dvořákóva,

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Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 2 – Stuttgarter Philharmoniker, Gabriel Feltz

Auch wenn diese frisch erschienene Aufnahme sechs Jahre alt ist, sagt sie viel über die Qualität der deutschen Orchesterlandschaft aus: Live in einem Konzert aufgenommen, zeigt sie die stupende Leistungsfähigkeit eines Klangkörpers (zumal angesichts der Mitbewerber in der schwäbischen Metropole). Doch nicht nur diese sich in der Auferstehung befreiende Sinfonie, sondern auch alle bisher erschienenen Folgen des Zyklus (nur Nr. 8 und Nr. 9 fehlen noch) haben einen charakteristischen Tonfall, der die Brücke schlägt zwischen emotional agitativem Zugriff und rational engagiertem Musizieren. Insofern drängt sich hier auch keine subjektive Sichtweise

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Kantaten der Bach-Familie: Werke von Heinrich, Johann Christoph, Johann Michael und Johann Sebastian Bach

Kantaten der Bach-Familie: Werke von Heinrich, Johann Christoph, Johann Michael und Johann Sebastian Bach

Der Kenner der Materie darf sich bei der Lektüre des Booklets wundern: Mit keinem Wort wird das so genannte „Altbachische Archiv“ mit seinem Bestand und seiner Überlieferungsgeschichte erwähnt – seltsam. Dabei entstammen alle Werke der älteren Bach-Generation diesem musikgeschichtlichen Schatz (hinzu kommt folgerichtig Bachs frühe Kantate „Christ lag in Todesbanden“ BWV 4). Neuheiten gibt es bei dieser Einspielung also nicht zu entdecken. Auch interpretatorisch dokumentiert sich nur ein hohes Niveau, ohne dass Sänger und Ensemble den Hörer anzurühren vermögen – ganz im Gegensatz übrigens zu der legendären Einspielung von Musica

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Antonio Vivaldi: Dorilla in Tempe RV 709 (2014/17)

Es gibt tatsächlich Gesamteinspielungen, die nicht klotzen oder in abgefeierten Archiven graben, sondern in erstaunlicher Ruhe Schritt für Schritt und damit in gleichbleibend herausragender Qualität und aufführungspraktisch auf Höhe der Zeit voranschreiten. Einer dieser raren Glücksfälle am umkämpften Tonträgermarkt (besser wohl: der aktuell einzige) ist fraglos die vom französi­schen Label Naïve produzierte Vivaldi Edition. Sie kann auch in der 55. Folge noch immer überraschen – hier mit der Oper Dorilla in Tempe von 1726, eingespielt in der letzten Fassung von 1734 mit nicht weniger als acht von Vivaldi selbst eingelegten

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Splendid Harmony: 17th Century Instrumental Music by Students of Heinrich Schütz (2015)

Thieme, Furchheim, Vierdanck, Löwe und Pohle. Fünf Namen von fünf Komponi­sten, Instrumentalisten und Kapellmeistern des 17. Jahrhunderts, die bei einem Spezialisten vermutlich die Augen sofort feucht werden lassen. Doch auch wer sich in dieser Zeit nicht so gut auskennt, wird von den hier vorgelegten Werken in all ihrer stilistischen Vielfalt sofort überzeugt – mit klanglicher Wärme, rhythmischem Feuer, kenntnisreich und in opulenter Besetzung gespielt durch das bereits 1983 gegründete Ensemble L’Arpa Festante. Zu hören sind aber nicht allein prachtvolle Harmonien, sondern ein Feuerwerk frühbarocker Formen, mit betont homophoner oder auch

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Johann Peter Kellner: Sacred Cantatas (2015)

Man kennt seinen Namen aus dem Umkreis von Johann Sebastian Bach. Dass Johann Peter Kellner (1705–1772) aber neben zahlreichen Orgelwerken auch Kirchenkantaten hinterlassen hat, war bisher wohl nur der Forschung bekannt. Die gut komponierte, mit ihrer gefälligen Melodik und Harmonik oftmals gar entzückende Musik entstand zunächst für den eigenen liturgischen Bedarf im kleinen Gräfenroda – ein im 18. Jahrhundert offenbar äußerst musikalischer Ort inmitten des Thüringer Waldes. Cantus und Capella Thuringia interpretieren diese Entdeckungen glänzend vorbereitet und auf hohem Niveau. Besonderen Reiz erhält die Einspielung durch die restaurierte Kellner-Weise-Orgel in

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