Neben dem Streichquartett als bedeutendste kammermusikalische Gattung spiegelt das Klaviertrio wie keine andere die vielfältigen Entwicklungen in der Epoche der «Klassik»: Waren zunächst Violine und Violoncello im Trio nur «ad libitum» besetzt und substanziell auch vielfach entbehrlich, so entwickelte sich bis zum Ausgang des Jahrhunderts eine Satztechnik, die alle drei Instrumente zunehmend selbständig und gleichberechtigt führte. Nicht nur in den Werken von Haydn und Mozart lässt sich das gut beobachten, sondern ebenso an der sich wandelnden Bezeichnung von einer Sonate «avec accompagnement» hin zu einem nun auch terminologisch vollgültigen «Trio». Was darüber immer wieder vergessen wird, ist die real sich wechselseitig ergänzende Klanggemeinschaft der Instrumente – wunderbar zu entdecken vor allem (oder sogar: nur) bei der Verwendung von historischem Instrumentarium, also einem Hammerklavier mit weniger Saitenspannung und einem subtileren Anschlag sowie Streichern mit Darmsaiten (Referenz sind da in Sachen Haydn sicherlich die nun schon etwas älteren Einspielungen des Ensembles Trio 1790 bei cpo).
Umso verblüffter schaue ich auf die nun schon dritte Folge einer sich ankündigenden Gesamteinspielung der Haydn-Klaviertrios mit dem Trio Gaspard – einer etablierten Formation, die im Booklet umfänglich Rechenschaft über Konzeption, Instrumente und Aufführungspraxis ablegt, um am Ende dann aber doch einen robusten Steinway D zu verwenden. Und ja, es ist auch zu hören, dass man es sich nicht leicht gemacht hat, dass auch mehr oder weniger umfangreiche Erfahrungen mit dem historischen Instrumentarium Spuren hinterlassen haben. Trotz aller Versuche der interpretatorischen Differenzierung (und der hörbaren Vertrautheit mit dem Repertoire) steht am Ende gleichwohl ein «aber», denn die Klangfarben mischen sich doch nicht so zu einem Ensemble, wie man es sich wünscht. Ferner mag ich nicht dem dramaturgischen Konzept folgen, Werke weder chronologisch noch in den jeweiligen «Opus-Gruppen» einzuspielen, sondern für bunte Abwechslung zu sorgen: Die Werkindividualität ist eher eine Sache des 19. Jahrhunderts – bei Haydn sollte man durchaus nach kompositorischen Verbindungen innerhalb einer so auch gedruckten Gruppe suchen (zumindest bei Ausgaben, bei denen Haydn selbst mitwirkte). – Ob es am Ende wirklich eine «Innovation» ist, jeder Folge der Gesamteinspielung ein in Auftrag gegebenes zeitgenössisches Stück als «Zugabe» anzufügen, sei dahingestellt: Es kommt auf die kompositorische Qualität und innere Verbindung an. Hier machen die Revêtements (Verkleidungen, Beschichtungen) von Kit Armstrong (*1992) keine Ausnahme – sie lassen zwar manches Motiv durchscheinen, sind aber eben für ein heutiges Instrumentarium geschrieben und nutzen dieses auch aus.
Joseph Haydn. Piano Trios Vol. 3
Joseph Haydn. Klaviertrio F-Dur op. 43/1 Hob. XV:6; Klaviertrio C-Dur op. 86/1 Hob. XV:27; Klaviertrio e-Moll op. 57/2 Hob. XV:12; Klaviertrio Es-Dur Hob. XV:36; Kit Armstrong. Revêtements (2022)
Trio Gaspard
Chandos CHAN 20279 (2023)