27. April 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Telemann / The Wallfisch Band

Telemann / The Wallfisch Band
Telemann / The Wallfisch Band
Kein anderes Label weltweit hat so einen langen Atem, kein anderes Label verspürt eine solche Lust und Risikobereitschaft für Entdeckungen auch gegen den Strom. Man muss nicht pathetisch werden, sondern einfach nur die diskographische Realität anschauen, um zu fragen, wo die klingende Telemann-Rezeption ohne cpo aus Georgsmarienhütte heute stehen würde. Musikfeste sind wunderbar, um sich zu treffen und auszutauschen. Die «Arbeit am Repertoire» findet dann aber doch eher in Aufnahmen und Produktionen statt. Und hier verfolgt Burkhard Schmilgun als Director A&R schon seit Jahrzehnten einen geradezu enzyklopädischen Ansatz, der sich bei Telemann nicht bloß auf eine gefällige Werkgruppe beschränkt, sondern Instrumentales wie auch Vokales umfasst. Fast könnte man meinen, hier wären kompositorisch wie in der Produktion Brüder im Geiste am Werke.

Zwar ist die Telemann-Renaissance noch nicht so recht im gemeinen Konzertsaal angekommen – und doch hat sich seit mehr als 20 oder 30 Jahren Herausragendes getan. Hier wurde ein Komponist vom Stigma des «Polygraphen» befreit, hier zeigt sich seine ganze stilistische Bandbreite über die langen Jahrzehnte seines Schaffens hinweg. Hörbar ist dies auch in der nun schon achten Folge der in Aussicht gestellten kompletten Violinkonzerte – eine bescheidene Wortwahl, denn es finden Werke für 1, 2, oder 3 Solo-Violinen ebenso Berücksichtigung wie Konzert-Ouvertüren mit sichtbaren konzertanten Elementen. Elizabeth Wallfisch und ihr hochenergetisch spielendes Ensemble musizierten sich so vor einem Jahrzehnt (2013) durch die Jahrzehnte – von Eisenach über Frankfurt bis nach Hamburg mit dem berühmten Concerto F-Dur aus der Tafelmusik (1733). Es ist eine pure Freude, diesen Interpretationen zu folgen, sich dieser auf höchstem Niveau unterhaltenden Musik zu öffnen. Noch selten wurde eine sechsstimmige Fuge im «stile antico» so gefällig ausgeschrieben und durch einen spritzigen konzertanten Satz konterkariert (Concerto G-Dur TWV52:G2). Telemann konnte schlichtweg mehr, als man ihm über zwei Jahrhunderte hinweg aus purer Unkenntnis zutraute. Dieses aktuelle Album macht (wieder einmal) Lust auf mehr.

Georg Philipp Telemann. Complete Violin Concertos Vol. 8
Konzert-Ouvertüre g-Moll TWV55:g8 für zwei Solo-Violinen, Streicher und B.c.; Concerto B-Dur TWV52:B2 für zwei Solo-Violinen, Streicher und B.c.; Concerto G-Dur TWV52:G2 für zwei Solo-Violinen, Streicher und B.c.; Concerto G-Dur TWV52:G3 für zwei Violettas, Streicher und B.c.; Concerto F-Dur TWV53:F1 für drei Solo-Violinen, Streicher und B.c.
The Wallfisch Band, Elizabeth Wallfisch

cpo 777 882-2 (2013)

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