Auf Zypern geboren und seit seinem Studium in Köln, hat Vassos Nicolaou (*1971) einen großen Korb von insgesamt 15 Etüden komponiert. Obwohl durchnummeriert, handelt es sich um vier Sets unterschiedlichen Umfangs, die über acht Jahre hinweg zwischen 2008 und 2016 entstanden (Nr. 1–5, 6–8, 9–11, 12 und 13–15). Keine Etüden im engeren oder auch nur historischen Sinn, sind sie dennoch von markanten technischen Anforderungen geprägt, die äußerste Präzision im Rhythmus verlangen – und doch hörbar Raum zum eigenen Gestalten geben. Darin zwar den Études von György Ligeti ähnlich, verfolgt Nicolaou aber einen recht eigenen Ton, der sich zwischen Abstraktion und Abbild bewegt.
So findet sich im Booklet zu jeder Etüde eine kurze, vom Komponisten stammende Beschreibung, die mal technisch-analytisch, mal poetisch-beschreibend ausfällt. Dies ist auch der Spannungsraster, der sich durch die knapp 45 Minuten kumulierter Aufführungsdauer durchzieht. Der Kontrast wird auch von der Produktion gestärkt, indem zwischen den einzelnen Nummern immer genügend Freiraum bleibt, um wenigstens kurz in der Stille die energiegeladenen Strukturen nachklingen oder verhallen zu lassen. Dass sich Tamara Stefanovich nicht nur langjährig mit den Werken auseinandergesetzt hat, sondern sich für diese auch gestalterisch einsetzt, ist über den ganzen Ambitus des Instruments jedem einzelnen Ton anzumerken. Vassos Nicolaou jedenfalls wusste sich musikalisch zu bedanken mit den vierhändigen Frames (2016/17), die Tamara Stefanovich und Pierre-Laurent Aimard gemeinsam gewidmet sind.
Vassos Nicolaou. Etudes, Frames für Klavier zu vier Händen
Tamara Stefanovich, Pierre-Laurent Aimard (Klavier)
Pentatone PTC 5187 041 (2019)