Eine Platte voller blinder Flecke und offener Fragen. Das sei gesagt mit dem Hinweis und mit Rückblick auf viele Produktionen, die hier im Jazzbereich besprochen worden sind, die keine oder kaum Fragen aufwerfen, sondern solide professionell hindudeln. Das ist alles hübsch und gefahrlos in jeder denkbaren Situation hörbar. Wenn „Blind Spot“ mit dem Gitarristen Philipp Wisser, dem Bassisten Joàn Chavez und Noël Lardon am Schlagzeug Fragen aufwerfen, so vor allem diejenige, warum sie mit dem ersten Track so fulminant die Ohren anfassen, um dann doch – wie geschickt auch immer – in einem harmonischen Drehwurm die Energie nicht in weitere Sphären zu führen.
Da wäre womöglich mehr drin gewesen, vielleicht. Aber bitte, nicht als vermiesende Kritik missverstehen; was das Trio „abspult“ ist weiterhin ein riskantes Unterfangen als Stolpergroove-Musik, der man nicht einfach so über den Weg trauen sollte.
Die Infos auf Bandcamp enden mit dem zarten Hinweis: „Due to the variety of sounds, the simple melodies are transformed into complex constructs and get more and more dimensions.” Da ist eben doch was dran und es ist nicht bloßes PR-Gerede. Nur besteht die Gefahr dabei, dass man sich in den weiteren Dimensionen und den komplexen Konstruktionen auch verheddern kann, so wie in manchem Satzbau dieser Kritik an dieser Stelle.
Anders als beim Debut-Album, das ich in der HörBar als „durchlaufend“ okay, könnte aber auch anders sein, wenig sonderbar fand, sind in dieser Trioformation die Dinge gerne etwas windschief gegen die Zeit – und das lässt wieder nach- und aufhorchen. Dadurch entstehen schöne neue Zeitbilder.
Ich mache jetzt das “Nachtlicht” an und stolpere die Treppe herunter. Man sieht sich unten.
Blind Spot & Philipp Wisser: Frontmirror [2022]
- Philipp Wisser – guitar, composition
- Joàn Chavez – bass
- Noël Lardon – drums
JazzSick Records, 5153JS