In jeder der Kompositionen wird der Choral auf andere Art behandelt. Am vielleicht überraschendsten ist dabei das doppelte Absetzen nach dem Stollen (innerhalb der Strophe) bei Georg Philipp Telemann: Hier folgt jeweils eine Arie, nach dem Abgesang dann ein Chor, Rezitativ und Arie sowie eine weitere Choralstrophe auf die Melodie von Wie schön leuchtet der Morgenstern. Doles hingegen schrieb eine Choralmotette, die trotz Imitation, Kontrapunkt und Darstellungskraft in der Melodik schon deutlich von der Empfindsamkeit geprägt ist. Auch die Kantate von Krebs steht zwischen den Epochen. Sie ist noch erkennbar im Hochbarock beheimatet und zeigt – angelehnt an Bach – ein so hohes Niveau musikalischer Erfindung (auch wenn Krebs in der Arie «neuzeitlich» wird), dass man sich fragen muss, warum nicht längst viel mehr von ihm in dieser Qualität zu hören war. – Es berührt mich äußerst sympathisch, dass im Booklet über die schwierigen Umstände der im Sommer 2020 produzierten Aufnahme kein einziges Wort verloren wird. Stattdessen lassen Gordon Safari und das solistisch, instrumental und im Continuo glänzend aufgelegte Ensemble BachWerkVokal die Musik sprechen. Das auch akustisch überzeugende Album wird man nicht nur einmal hören wollen.
Georg Philipp Telemann. Jesu, meine Freude (Kantate) TWV 1:966; Johann Friedrich Doles. Jesu, meine Freude (Motette); Johann Sebastian Bach. Jesu, meine Freude (Motette) BWV 227; Johann Ludwig Krebs. Jesu, meine Freude (Kantate) KWV 110
Ensemble BachWerkVokal, Gordon Safari
MDG 923 2207-6 (2020)