19. April 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Nicolaus Bruhns

Nicolaus Bruhns
Nicolaus Bruhns
Nicolaus Bruhns (1665–1697) gehört zu den norddeutschen Meistern des stylus phantasticus – und ist wie so viele andere Komponisten in der Musikgeschichte viel zu früh, hier im Alter von nur 31 Jahren, verstorben. Besonders tragisch ist, dass sich aus seiner Feder bloß wenige Werke erhalten haben: neben fünf recht unterschiedlich disponierten Kompositionen für die Orgel auch zwölf Vokalwerke – geistliche Konzerte mit kleiner Streicherbegleitung. Über die hohe Qualität der Kompositionen ist man sich seit langem einig. Die Orgelwerke sind spätestens durch die streitbare Beckmann-Ausgabe gut bekannt, doch auch bei dem vokalen Schaffen, um das es (wie bei so vielen Komponisten der Zeit) etwas stiller ist, handelt es sich nicht um eine sensationelle Neuentdeckung. Zudem ist das in der Nähe von Stockholm beheimatete Label BIS nicht das erste, das sich für Bruhns «komplett» engagiert – jedenfalls ist das mit diesem «Vol. 1» zu erwarten: Bereits vor mehr als 30 Jahren hat sich das Label Ricercar auf drei CDs innerhalb der Reihe «Deutsche Barockkantaten» um das Œuvre verdient gemacht.

Doch wer war eigentlich Nicolaus Bruhns? In Schwabstedt bei Husum als Sohn des dortigen Organisten geboren, wandte er sich schon früh nach Lübeck (und an Dietrich Buxtehude), ging als Violinvirtuose nach Kopenhagen, lernte dort den italienischen Stil kennen und wurde schließlich in seiner Heimat im Alter von 24 Jahren Organist der Husumer Stadtkirche. Abwerben ließ er sich nicht, doch ist das andererseits zu bedauern und zu vermuten, dass sein Schaffen an einem prominenteren Ort als an der entlegenen Schleswig-Holsteinischen Westküste möglicherweise noch zu ganz anderen Höhenflügen gelangt wäre. Denn was erhalten ist, klingt stark, ist keineswegs «Standard», sondern von einer wahrlich fantastischen Kreativität. – Das macht auch die Einspielung unter Masaaki Suzuki deutlich, der für sein feines interpretatorisches Gespür bei den Bach’schen Kantaten und Motetten vielfach ausgezeichnet wurde. Bei dieser Produktion aber zeigt sich: Die Wahl der Solisten ist immer die «halbe Miete». So erscheint mir Paul Max Tipton mit seinem satten Bassbariton etwas schwerfällig und (gefühlt) nicht ganz im ausgehenden 17. Jahrhundert zuhause. Auch die beiden Tenorstimmen (James Taylor und Dann Coakwell) ergänzen sich bei «Erstanden ist der heilige Christ» nicht zu einem homogenen Duo, wobei James Taylor in seinen Solobeiträgen durchaus zu überzeugen vermag. Überraschend ist auch die konsequent mitteltönige Stimmung der nach norddeutschem Muster erbauten Orgel (Marquand Chapel, Yale University), auf der das e-Moll-Präludium erfrischend bissig klingt.

Nicolaus Bruhns. Cantatas and Organ Works Vol. 1. De profundis; Jauchzet dem Herren alle Welt; Präludium e-Moll; Mein Herz ist bereit; Paratum cor meum; Nun komm, der Heiden Heiland (Choralfantasie); Der Herr hat seinen Stuhl im Himmel bereitet; Entstanden ist der heilige Christ
Paul Max Tipton (Bassbariton), James Taylor, Dann Coakwell (Tenor), Yale Institute of Sacred Music, Masaaki Suzuki (Orgel & Leitung)

BIS-2271 (2016/17)

https://open.spotify.com/album/3vkYYq6QgpkFRIfeC6BivF

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