21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

American Sonatas

American Sonatas
American Sonatas

Alle mögen gerade auf dem Cover eines Albums ein griffiges Motto. Und weil das schon länger so ist, kommt es irgendwann zu mehr oder weniger beabsichtigten Dopplungen. Im Bereich der poetischen Titel dürfte es besonders problematisch werden, verstecken sich doch hinter diesen meist vom Repertoire her bunt gemixte Konzeptalben. Was aber, wenn das Motto den Inhalt selbst aufgreift und die Produktion damit verwechselbar wird? Der Titel American Sonatas (gemeint sind Stücke von Komponisten aus den Vereinigten Staaten) findet sich auch auf anderen CDs, und gelegentlich gar mit identischen Werken. Im Katalog des rührigen polnischen Label Dux steht der Titel fraglos singulär, darüber hinaus aber stößt man bald auf eine gleichlautende Produktion beim Label MSR Classics, noch dazu mit Überschneidungen (2017), weiterhin auf eine ältere CD mit Flöten- oder eine neuere mit Saxophonsonaten. Ein Alleinstellungsmerkmal sieht anders aus…

Das ist zu bedauern, denn Adam Bruderek (Violine) und Anna Prabucka-Firlej (Klavier) haben sich für Dux mit den Werken hörbar intensiv auseinandergesetzt. Am deutlichsten ist dies in der stilistisch recht offen gehaltenen Sonate von John Corigliano (geb. 1938) zu spüren. Auch im Vergleich mit anderen Einspielungen überzeugen hier die weiten, in gebotener Ruhe ausgesungenen Linien (Andantino), im einleitenden Allegro aber das Secco des Klaviers. Bei der klaren Zeichnung von Strukturen dürfte es sich ohnehin um das Credo der Interpreten handeln. So könnte man sich die Sonate von Aaron Copland (1900–1990) zwar etwas atmosphärischer vorstellen, zumal im Lento. Doch ist es letztlich die keineswegs unterkühlte Sachlichkeit, mit der das Interesse an dem Werk wächst. Und Charles Ives’ Sonate von 1914? Mit dem zugrunde liegenden Interpretationskonzept eröffnen sich an dieser verschiedene Ebenen auslotenden Komposition neue Perspektiven.

American Sonatas
Charles Ives. Sonata No. 2 for Violin and Piano (1914); Aaron Copland. Sonata for Violin and Piano (1943); John Corigliano. Sonata for Violin and Piano (1963)
Adam Bruderek (Violine), Anna Prabucka-Firlej (Klavier)

DUX 1744 (2018/19)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 2 von 5 in Michael Kubes HörBar #050 – «America»