21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Mysliveček / Violinkonzerte

Mysliveček / Violinkonzerte
Mysliveček / Violinkonzerte

Er war ein Star in seiner Zeit. Spät zur Komposition gekommen (sein Vater stand der Prager Müllergilde vor), übersprang Josef Mysliveček (1737–1781) nach sei­nem eigenen Meisterbrief gleich einige Entwicklungs- und Karrierestufen, um im Alter von 30 Jahren mit einer ersten Opern-Partituren in Italien zu punkten. Die folgenden knapp 14 Jahren sind zunächst voller Ruhm und Ehre, doch konnte er die Gunst des Publikums nicht halten – vielleicht auch, weil Mysliveček kränkelte und sich von gesellschaftlichen Verpflichtungen fern hielt. Wieder ein Opfer der leeren und falschen Konventionen möchte man ausrufen! Leopold und Wolfgang Mozart schlossen mit ihm Freundschaft, doch zumindest der Vater kündigte die­se auf, als die für den Sohn zugesagte Vermittlung eines Auftrags aus Neapel nicht eingelöst werden konnte. Angesichts der zahlreichen Ränkespiele an sol­chen Häusern wird aber Mysliveček wohl kaum ein Vorwurf zu machen sein – ganz im Gegensatz zu dem kalkulierenden Leopold. Der junge Wolferl hat aller­dings bei Mysliveček genau hingehört, so klar ist vieles bei den Salzburger Vio­linkonzerten angelehnt.

Myslivečeks Kompositionen nun aber bloß als «Vorläufer» abzutun, trifft die Sa­che keineswegs. Denn sie sind hochqualitativ und repräsentieren die musikali­sche Sprache der 1770er auf herausragendem Niveau. Das zeigt auch Prager «Collegium 1704» bei dieser Produktion auf nachdrückliche Weise – sowohl in der hier erstmals eingespielten Sinfonie Es-Dur und der Ouvertüre A-Dur (in Flo­renz komponiert, in London gedruckt) wie auch als sehr aktiv «mitspielende» Begleiter in gleich drei Violinkonzerten (D-Dur, E-Dur und A-Dur). Das Ensemble verbleibt keineswegs als bloße Sekundant im Hintergrund, sondern steht wo nö­tig (also auch: wo komponiert) dem Solopart klanglich zur Seite. Diesen wiederum gestaltet Leila Schayegh bezaubernd wie brillant mit fließender Kanta­bilität und selbstverständlicher Virtuosität. Sie trifft den dann auch von Mozart be­kannten opernhaften Gestus der Kompositionen, entreißt sie dem Vergessen. Ein erstaunliches Album, das zeigt, wie groß Musik aus der Zeit vor der Wiener Klas­sik sein kann.


Josef Mysliveček: Violinkonzerte

  • Violinkonzert D-Dur;
  • Sinfonia Es-Dur;
  • Violinkonzert Es-Dur;
  • Ouverture No. 2 A-Dur;
  • Violinkonzert A-Dur

Leila Schayegh (Violine), Collegium 1704, Václav Luks

Accent ACC 24336 (2017)

 

 

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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