Mancher mag auf den ersten Blick von einem gelungenen „Konzept-Album“ sprechen. Dem ist allerdings entschieden zu widersprechen; denn das Quatuor Ardeo („ich brenne“) eifert hier nicht einer hippen Idee nach, sondern steigt dank einer gelungenen Programmdramaturgie in die Tiefen der Musik. Mit dem so kargen wie rätselhaften Titel „XIII“ (13) verknüpfen die vier Musikerinnen die eingespielten Werke in einer artifiziellen, doch höchst instruktiven Zahlenmystik: Im Zentrum steht Black Angels von George Crumb – ein noch immer radikales Werk, das die ästhetischen Rahmenbedingungen des Streichquartetts nicht über den Haufen wirft, sondern deren lebendige Kraft beweist. Im Untertitel „Thirteen Images from the Dark Land“ und auf Freitag, den 13. März 1970 datiert, handelt es sich um eine numerologisch-spekulative Rückversicherung angesichts menschlicher Not und ethischen Versagens. Crumb greift dabei auch auf ältere Musik zurück, unüberhörbar dabei Schuberts Lied „Der Tod und das Mädchen“, verbunden mit der Allusion an ein Gambenconsort. Was also liegt näher, Crumbs Werk in seinen mitgedachten Kontext einzustellen mit Quartett-Adaptionen des Liedes und zweier Purcell-Kompositionen?
In erster Linie wird es mit Schuberts vielfach als lieblich empfundenem „Rosamunde“-Quartett D 804 verbunden (in der traditionellen Zählung die Nr. 13) – und diesem wiederum der Beginn eines Madrigals von Claudio Monteverdi vorgeschaltet, das mit seinen stehenden Akkorden wie ein Präludium aus anderer Zeit dazu wirkt. Musikalisch ist das alles in einem geradezu fahlen, vielfach bewusst ohne Vibrato schwebend gehaltenen, gleichsam ent-erdeten, oftmals zerbrechlich anmutenden Ton gehalten, bei dem selbst die Durterz – wohl ganz im Sinne Schuberts – keineswegs die erlösende Auflichtung bedeutet. Und so gewinnt das „Rosamunde“-Quartett eine Tragik, die im scheinbar gelösten Finale einem verstörend den Hals zuschnüren kann. Auch Crumbs „Black Angels“, die sich nun einmal mit dem Kronos Quartet in den Ohren festgesetzt haben, nehmen noch eine ganz andere Gestalt an und sind beim Quatuor Ardeo weniger emotional harsch und kantig, dafür aber als wirkliches Streichquartett erfahrbar. Zum Ende dieser höchst aufregenden Reise durch die Grautöne der Gefühle sollte man die Verse der „Götter Griechenlands“ (Schiller/Schubert) parat haben: „Schöne Welt, wo bist du?“
Claudio Monteverdi: „Hor che’l ciel e la terra“ SV 137 (Arr. für Streichqartett); Franz Schubert. Streichquartett Nr. 13 a-Moll D 804 (Rosamunde); Henry Purcell. Pavane g-Moll Z 752, Chaconne g-Moll Z 730; Franz Schubert. Der Tod und das Mädchen D 531 (Arr. für Streichqartett); George Crumb. Black Angels; Franz Schubert. Strophe aus „Die Götter Griechenlands“ D 677 (Arr. für Streichqartett)
Quatuor ArdeoKlarthe KLA 104 (2020)