21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Joseph Elsner: Chamber Music – Trio Margaux and Guests

Joseph Elsner / Chamber Music – Trio Margaux and Guests
Joseph Elsner / Chamber Music – Trio Margaux and Guests

In jeder Chopin-Biographie findet sich der Name von Joseph Elsner (1769–1854) an prominenter Stelle. Eine hörende Verständigung über seine musikalische Sprache aber hat bis heute kaum stattgefunden, selbst sein 250. Geburtstag wurde im vergangenen Jahr hierzulande nahezu gänzlich übersehen. Wer aber den Schritt von Chopin zurückgeht, um die Musik seines Lehrer kennenzulernen, der wird verblüfft sein und rasch verstehen, wo die Quellen des späteren Meisters liegen. Denn offenbar wurde auch außerhalb von Italien, Frankreich und Wien in Lemberg und Warschau hervorragende Musik geschrieben, die nicht nur bestehen kann, sondern auch ihren eigenen Weg geht. Dies betrifft das Septett mit Klavier (ca. 1830), mehr aber noch jene älteren Werke, die überraschend konzertant wirken (wie das Klavierquartett op. 15, ca. 1805) oder auf polnische Rhythmen und Modelle zurückgehen.

Überhaupt scheint Elsner parallel zur so genannten Wiener Klassik stilistisch aus einer anderen (mehr französisch inspirierten?) Tradition geschöpft zu haben, was überhaupt erst Chopins einzigartige musikalische Sprache möglich machte. – Die mit 4 CDs prall gefüllte Hänssler-Box umfasst nahezu sämtliche überlieferte große Kammer- und Klaviermusik in durchgearbeiteten und betont musikalisch gestalteten Interpretationen. Noch dazu wurde ein historisches Instrumentarium gewählt; ein nicht zu unterschätzender Pluspunkt, auch gegenüber dem im selben Jahr beim polnischen Label Dux erschienen Doppelalbum. Dennoch: Um die Bedeutung von Joseph Elsner wirklich angemessen fassen zu können, wird man sicherlich Bekanntschaft mit seinen zahlreichen Opern (auch in polnischer Sprache) machen müssen. Ob auch die umfangreiche Kirchenmusik innovativ wirkte, sei dahingestellt.


Joseph Elsner. Violinsonaten op. 10/1–3, Septett D-Dur, Klaviertrio B-Dur op. 2, Rondo a la Mazurka in g-Moll, Rondo a la Krokowiak B-Dur, Klavierquartett Es-Dur op. 15, Streichquartette op. 8/1–3, Klaviersonaten B-Dur, D-Dur und F-Dur, Sonate für Klavier zu vier Händen op. 16
Trio Margaux, Hoffmeister Quartett, Beni Araki und Michael Hasel (Klavier), Christoph Heidemann (Violine), Martin Seemann (Violoncello), Aino Hildebrandt (Viola), Masatoshi Saito (Kontrabass), Mathias Kiesling (Flöte), Lisa Shklyaver (Klarinette)
Hänssler Profi PH 19033 (2015, 2018, 2019)

 

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 1 von 5 in Michael Kubes HörBar #018 – Kammermusik