19. April 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
José Castel / Streichtrios

José Castel / Streichtrios

Was für eine schöne Idee, die drei Grundfarben Gelb, Rot und Blau auf das Cover zu setzen und mit jeder übernächsten Doppelseite durch einen markanten Pinselstrich neu zu mischen. Ähnlich ist es im Streichtrio mit der Besetzung Violine, Viola und Violoncello, die sehr offen klingt – keine vierte oder fünfte Stimme füllt oder verstärkt. Wirklich alles in der Faktur muss genau erwogen sein und ausgewogen werden, auch wenn sich (gleich dem Streichquartett oder Klaviertrio) ständig neue Konstellationen ergeben können. So auch bei José Castel (1737–1807) und seinen um 1785 in

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Boccherini / Symphonies op. 35

Boccherini / Symphonies op. 35

Heute erreicht man die Metropolen der iberischen Halbinsel schnell und – im Verhältnis zum hinterlassenen «Klima-Abdruck» – zu billig. In dem für Künstler und Musiker reisefreudigen 18. und 19. Jahrhundert lagen Spanien und Portugal allerdings weit abseits der üblichen Routen. Noch heute stehen dem raschen Landweg die Pyrenäen im Weg, früher musste meist eine Schiffspassage gebucht werden (über das Mittelmeer oder durch die gefährliche Biskaya). Warum es den jungen Luigi Boccherini als aufstrebenden Komponisten und Virtuosen auf dem Violoncello nach ersten Erfolgen in Italien, Wien und Paris ausgerechnet in diesen

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Sebastian George / A Lifelong Journey

Sebastian George / A Lifelong Journey

Dieses Album ist eine Rarität. Das betrifft zunächst das Label Perfect Noise aus Waldenbuch (vor dort kommt auch die quadratische Schokolade her), vom dem ich bisher rein nichts gehört hatte. Dabei offenbaren nicht erst die jüngsten Produktionen, mit wie viel Engagement hier Schätze produziert werden – Schätze, die es in sich haben, interpretiert von Künstlern und Ensembles, die eine Bleibe für die Ergebnisse und Erkenntnisse ihrer Entdeckungsreisen gefunden haben. So auch das in Köln beheimatete, international besetzte Ensemble Altera Pars, das sich nicht das erste Mal beim Graben nach unerhörtem

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Haydn / Paavo Järvi

Haydn / Paavo Järvi

Sieht man einmal von dem ambitionierten Projekt «Haydn2032» ab, so sind Einspielungen der Sinfonien Joseph Haydns nach wie vor rar. Um seine frühen Werke wird ein großer Bogen gemacht, bei den mittleren stehen nur die vom «Sturm und Drang» geprägten Partituren hoch im Kurs. Selbst die aus Paris bestellten Kompositionen (Nr. 82–87) stehen nach den insgesamt zwölf für und in London entstandenen Werken (Nr. 93–104) hinten an. Denn die «Londoner» Sinfonien stellen in mehrfacher Hinsicht einen Höhepunkt dar: in Haydns sinfonischem Schaffen (sie bilden dort ohnehin den Schlusspunkt), für das

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Haydn News / Nuovo Aspetto

Haydn News / Nuovo Aspetto

Selten ist mir in letzter Zeit ein so originelles und noch dazu inhaltlich gut aufgearbeitetes Booklet begegnet. Nun könnte man meinen, Haydn News würden sich leicht und bequem an die Frau oder den Mann bringen lassen. Doch das ist ein voreiliger Kurzschluss: Noch immer wird diesem Großmeister viel zu wenig Beachtung geschenkt – auch weil er viel zu selten mit der ganzen Breite seiner Musik präsent ist (wann haben Sie zuletzt etwa eine seiner mittleren Sinfonien live gehört?). Genauso voreilig ist aber auch der Gedanke, die hier eingespielten Bearbeitungen (bis

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Adrian Tully / Reflections

Adrian Tully / Reflections

Das Saxophon kann zwar auf eine lange, im Vergleich mit anderen Instrumenten aber doch nur kurze Geschichte zurückblicken. Zunächst für die Militärmusik erfunden, zog es zwar bald in die Kunstmusik ein. Und doch blieb es in all seinen Bauvarianten immer eine Art Sonderling im Orchester wie auch in der Kammermusik, während es aus dem Jazz nicht mehr wegzudenken ist. Vor diesem Hintergrund gilt es auch den Werkbestand zu bewerten: ein Repertoire, das sich erst im 20. Jahrhundert mit jeder Dekade zusehends erweiterte. Für ältere Epochen sind also Bearbeitungen oder Transkriptionen

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Klavier für Kinder / Corinna Simon

Klavier für Kinder / Corinna Simon

Bei dem Thema Musik für Kinder kommt man an diesem Album aus dem Jahr 2019 zunächst einmal nicht vorbei. Es präsentiert in knapp 132 Minuten eine von der Pianistin Corinna Simon kuratierte (und interpretierte) Auswahl – nicht nur an Komponisten und Sammlungen, sondern auch einzelne Stücke aus derlei mehr oder weniger zusammenhängenden Folgen. Und doch: Was ist das überhaupt für ein Repertoire «für Kinder», das hier eingespielt wurde? Die definitorische Schwierigkeit lässt ich schon an Robert Schumanns Kinderszenen op. 15 und dem Album für die Jugend op. 68 (in zwei

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Mozart / Ignaz von Seyfried

Mozart / Ignaz von Seyfried

Verblüffend. Bei fast jeder Geste wird man denken: Ja, so ist es recht instrumentiert. Nur in der Gesamtschau will das doch nicht so recht passen. Wo also liegt der «Fehler»? Zunächst einmal nicht bei der Produktion selbst, die hier in jeder Weise eine Pionierarbeit vorlegt – eine Ersteinspielung gar. Und solange nicht weitere Planeten mit stehenden Ensembles besiedelt sind, werde ich das Präfix «Welt-» prinzipiell auslassen; «Welt» meint hier wohl eher «Erde» als »Universum». Des weiteren muss man nicht erst in die Noten der Vorlagen dieser Bearbeitungen hineinschauen, um zu

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Trio Roseau / Mozart

Trio Roseau / Mozart

Es gab eine Zeit – noch dazu die längste innerhalb der Musikgeschichte –, in der man nicht so ohne weiteres in jedem Moment alles bequem abrufen konnte. Am Anfang der „mechanischen Musikreproduktion“ stehen singuläre Automaten, es folgten Klavierrollen, Schallplatten, Bänder, die CD, und nun das rein digitale Streaming. Wer aber einst Musik hören wollte, musste entweder Glück haben oder diese selbst spielen. Ende des 18. Jahrhunderts blühte die Harmoniemusik auf – reine (allenfalls durch einen Kontrabass ergänzte) Bläserensembles, die besonders durch die Verbreitung der wandlungsfähigen Klarinette einen bedeutenden Aufschwung erlebten.

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Mozart / Le Concert de la Loge

Mozart / Le Concert de la Loge

Es ist erstaunlich, wie Solisten, Ensembles und Orchester in der Regel einer beständigen Veränderung ihrer musikalischen Sichtweise unterliegen. Ob sie es selbst im aktuellen Prozess bemerken, sei dahingestellt; eher dürfte der Beobachter von außen neue Wendungen bemerken, die womöglich in einen Umschwung münden werden – letztlich ergeht es einem selbst auch bei aller Reflexion ebenso. Erst später erscheint oft alles klar. Wenn ich ein paar Jahrzehnte zurückdenke, dann fallen mir sofort einige Orchester ein (vorzugsweise der historisch informierten Aufführungspraxis), die bis zu einem gewissen Punkt interpretatorisch Hervorragendes leisteten, sich in

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Haydn / Die Tageszeiten

Haydn / Die Tageszeiten

So (oder jedenfalls sehr ähnlich) muss es geklungen haben. Jedenfalls spielt das Ensemble Florilegium die drei frühen Tageszeiten-Sinfonien von Joseph Haydn in der fast schon kammermusikalischen Besetzung, die zu Beginn der 1760er Jahre auch die noch recht überschaubare Hofkapelle des Fürsten Esterhazy aufwies. Was indes Haydn ihr kompositorisch auf den Leib schneiderte, wie er die Instrumentalisten auf ungezwungene Weise hervortreten lässt, ohne dabei allzu programmatisch zu sein oder in einem formalen Gerüst nach Art einer «Sinfonia concertante» zu agieren, ist noch immer eine höchst spannende, ja faszinierende Angelegenheit. Es bedarf

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Mozart / Haffner-Serenade

Mozart / Haffner-Serenade

Viele von Mozarts großen Serenaden führen ein Schattendasein. Kaum jemand kennt sie, kaum einer führt sie auf, so gut wie niemand spielt sie ein. Ihnen haftet offenbar noch immer der zweifelhafte «Geruch» von Gelegenheitswerken an. Denn im Gegensatz zu so mancher Sinfonie zeigt sich Mozart in diesen vielsätzigen Werken zumeist von seiner galanten Seite, oft auch mit einer Solo-Violine. Wer etwa kennt die beiden Lodron‘schen Nachtmusiken? Mit der Haffner-Serenade steht es allerdings besser – vermutlich auch, weil schon das erste Menuett nicht heiter bleibt, sondern an einen Abgrund führt. Insofern

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