5. Juni 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Michael Spyres

Michael Spyres
Michael Spyres
Alben, bei denen eine einzige Stimme im Vordergrund steht, gab es schon immer. Und sie waren und sind mir weiterhin suspekt. Man könnte fast von einer tönenden Bewerbungsmappe sprechen, die sich an Veranstalter, Agenturen und all jene Liebhaber:innen richtet, die sich auf einzelne Sänger:innen und deren stimmliche Entwicklung fokussieren. Was gesungen wird, ist dabei oft genug egal, solange überhaupt gesungen wird. Umso ansprechender ist dieses Album von Michael Spyres. Es lässt sich zwar auch so einordnen, aber es widmet sich eben auch einem bestimmten Stimmfach.

Aufgenommen wurden nicht bloß Tenor-Arien aus verschiedenen Opern der Barock-Epoche (und etwas darüber hinaus), sondern Arien, die einen „tenore assoluto” verlangen – einen Sänger mit größtem Ambitus (bis zu 3 1/2 Oktaven) und breitestem Ausdruckscharakter. Lange Zeit wurde vergessen, dass sich der erste «Divo» oft mit den physisch beschränkten Kastraten maß. Während diese heute wieder vielfach namentlich bekannt sind, steht diese Wiederentdeckung für die besten Tenöre noch aus. Michael Spyres bricht jedenfalls mit 14 herausragenden Arien eine Lanze – Arien, die ihn auch stimmlich fordern und bei denen er die Grenzen des Machbaren dehnt. Mit behänder Virtuosität ausgestattet, liegt durch den hinten liegenden Ansatz trotzdem ein leichter Schatten auf seiner Stimme. Auch könnte man sich die Sprachartikulation noch verständlicher vorstellen. Dass das Album seltsam weiträumig klingt, mag am Datum der Aufnahme liegen (Herbst 2020), als alle «auf Distanz» waren.

Contra-Tenor
Jean-Baptiste Lully. «Cessons de redouter» aus: Persée LWV 60; Passacaille aus: Persée LWV 60; George Friedrich Händel. «E il soffrirete, d’onestade, oh Numi?» aus Tamerlano HWV 18; Antonio Vivaldi. «Cada pur sul capo audace» aus: Artabano, re de’ parti RV 701; Leonardo Vinci. «Si sgomenti alle sue pene» aus: Catone in Utica; Nicola Porpora. «Nocchier, che mai non vide l’orror della tempesta» aus: Germanico in Germania; Domenico Sarro. «Fra l’ombre un lampo solo» aus: Achille in Sciro; Baldassare Galuppi. «Vil trofeo d’un’alma imbelle» aus: Alessandro nell’Indie; Gaetano Latilla. «Se il mio paterno amore» aus: Siroe, re di Persia; Johann Adolf Hasse. «Solcar pensa un mar sicuro» aus: Arminio; Jean-Philippe Rameau. «Cessez de ravager la terre» aus: Naïs RCT 49; Antonio Maria Mazzoni. «Tu m’involasti un regno» aus: Antigono; Christoph Willibald Gluck. «J’ai perdu mon Eurydice» aus: Orphée et Eurydice Wq. 41; Wolfgang Amadeus Mozart. «Se di lauri» aus: Mitridate, re di Ponto KV 87; Niccolò Piccinni. «En butte aux fureurs de l’orage» aus: Roland
Michael Spyres (Tenor); Il Pomo d’Oro, Francesco Corti

Erato 5054197293467 (2020)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 1 von 2 in Michael Kubes HörBar #157 – Stimmen

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