Anders als Philip Glass hat sich John Adams (*1947) schon lange aus den heimtückischen Fallstricken der Minimal Music befreit. Was bei dem einen zu einer manieristischen Perpetuierung bekannter Patterns mutiert, entwickelte sich bei Adams zu einem sehr breiten Repertoire an eigensprachlichen Möglichkeiten. Und dennoch ist es schon recht verblüffend, wie die als dreisätzige Sinfonie angelegte, nach eigener Aussage ein wenig auf das Los Angeles und Hollywood der 30er und 40er Jahre abzielende Partitur von City Noir (2009) an mehr als nur zwei Ecken und Enden dann doch an die viel ältere Harmonielehre (1985) erinnert – und dies vor allem im ersten Satz (nein, es geht nicht um die repetierten C-Dur-Akkorde, sondern um harmonische Wendungen und Eigenarten der Instrumentation).
Aus den 1980ern stammen auch die Fearful Symmetries (1988), die noch immer kompositorisch durch ihren geschmeidigen rhythmischen Groove überzeugen, während sie ebenfalls im Schatten der allmächtigen Harmonielehre stehen und an diese auch deutlich anknüpfen (sie aber nicht erreichen). Dass Adams in seiner Entwicklung nie stehen blieb, seine Spielart des Minimalismus ausweitete und schließlich abstreifte, ist in Lola Montez does the Spider Dance (2016/20) klar erkennbar – ein Auftragswerk für Marin Alsop mit knapp sechs Minuten Spielzeit, das später in die Oper Girls of the Golden West integriert wurde. Insofern bietet dieses Album das Werk aus erster Hand: Marin Alsop und das ORF Radio-Symphonieorchester Wien gehen gleichsam eine Symbiose ein. Auch wenn der Orchestersound idiomatisch «passt», so ist er eben doch europäisch geprägt, was etwa den verschiedenen Solo-Episoden (Saxophon) anzumerken ist. Und dennoch ist es ein Album, das man gehört haben sollte – auch um Adams richtig einzuschätzen.
John Adams. City Noir (2009); Fearful Symmetries (1988); Girls of the Golden West – Lola Montez does the Spider Dance (2016/20)
ORF Radio-Symphonieorchester Wien, Marin Alsop
Naxos 8.559935 (2022)