21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Mozart & Salieri / Hervé Niquet

Mozart & Salieri / Hervé Niquet
Mozart & Salieri / Hervé Niquet
Am Ewigkeitssonntag endet die «Stille Woche» – und damit auch diese Hörbar, diesmal programmatisch mit dem Schwerpunkt auf Mozarts Requiem (und dem, was auf den Alben an interessanten Kopplungen angeboten wird). Auch wenn nicht die Frage im Mittelpunkt stand, welche Fassung auf den Pulten lag, kommt man heutzutage nicht mehr drum herum, auch darauf einzugehen. Längst ist die Süßmayr-Fassung nicht mehr selbstverständlich – aus naheliegenden Gründen, und doch oftmals kaum mit einer wirklichen Verbesserung verbunden. Wer wagt es, Tonsetzer oder Dirigent, mit eigenen Versuchen sich stilsicher ins späte 18. Jahrhundert zurück zu denken und mehr als 230 Jahre Musikgeschichte außen vor zu lassen? Es geht am Ende wohl nur durch so radikale Schnitte wie bei den interpolierten Klangräumen (2005) von Georg Friedrich Haas (belvedere).

Umso erstaunlicher, dass bei der Einspielung mit Le Concert Spirituel unter der Leitung von Hervé Niquet weder auf Cover, Backcover noch in der Tracklist der Name «Süßmayr» auftaucht! Der dramaturgische Schwerpunkt lag freilich auch eher in der Gegenüberstellung mit dem Requiem c-Moll von Antonio Salieri (1750–1825) – Gedanken an die cinematographisch so genial umgesetzte (falsche) Legendenbildung werden wach… Salieri jedenfalls fertigte die Partitur seines Werkes 1804 an und notierte auf dem Titelblatt: «Demütiges Requiem, komponiert von mir und für mich, Antonio Salieri, die demütigste aller Kreaturen.» Man merkt dem Werk bereits den zeitlichen Abstand an, es ist zudem leichter gefasst – und doch fühle ich mich bei der Verwendung der Bläser ein wenig an Mozart erinnert. Klanglich wirkt Salieris Komposition viel direkter eingefangen als die Mozarts, vermutlich auch wegen der durchsichtigeren Faktur. Bei Mozart hingegen entfaltet sich hingegen vielfach eine erstaunliche Wärme. Und dennoch: Warum müssen die dramatisch zugespitzten Sätze im Tempo so angezogen werden? Bereits die nachschlagenden Achtel der Streicher im Introitus nehmen sich fast tänzerisch aus (ohne dass ein Totentanz angeschlagen würde), das Rex tremendae «swingt», das Confutatis rollt motorisch vorwärts. Die Ausführung selbst steht freilich auf sehr hohem Niveau.

Wolfgang Amadeus Mozart. Requiem d-Moll KV 626; Antonio Salieri. Requiem c-Moll
Valentina Nafornita (Sopran), Ambroisine Bré (Alt), Robin Tritschler (Tenor), Andreas Wolf (Bass), Le Concert Spirituel, Herve Niquet

Chateau de Versailles Spectacles CVS 078 (2021)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 5 von 5 in Michael Kubes HörBar #102 – Mozart. Requiem