21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Mozart / Pandolfis Consort

Mozart / Pandolfis Consort
Mozart / Pandolfis Consort
Es war nicht das erste Mal, dass große Sinfonik, eine Oper oder ein Oratorium für Streichquartett arrangiert wurde. Und doch hat die hier eingespielte Bearbeitung von Mozarts Requiem einen ungewöhnlichen Hintergrund: Sie war nicht für die nimmersatte Wiener Hausmusik in den ersten Dekaden des 19. Jahrhunderts bestimmt, sondern wurde von Peter Lichtenthal (1778–1853) um 1830 in Mailand(!) angefertigt mit dem Bestreben, Mozart und seine Werke bekannt(er) zu machen. Dass Lichtenthal in Italien dafür ausgerechnet an das Streichquartett dachte, sagt freilich mehr über seine eigene musikalische Sozialisation aus als über die tatsächlich in Mailand vorherschende Form privater Musikausübung. Die Bearbeitung hat sich denn auch nur in einer einzigen Handschrift erhalten.

Die «Übersetzung» einer Komposition in eine andere Besetzung oder auch Gattung erfordert allerdings vom Bearbeiter handwerkliches Geschick und bei den Interpreten viel Gespür für die adäquate Umsetzung. Nun, Lichtenthal kannte «seinen» Mozart. Wo Singstimmen vorhanden sind, nimmt er deutlich Bezug; wo nicht, übernimmt er die Partitur für die vier Streicher – vielfach gar wörtlich, was zwar die Vorlage en detail abbildet, nicht aber in jedem Fall dem besonderen Klang des Streichquartetts gerecht wird. Das Pandolfi Consort denkt diesen Ansatz leider allzu entschieden fort. Man hört die Formation auf ihren Instrumenten geradezu die originalen Stimmen singen sowie charakteristische Klänge und Farben nachbilden (Dies irae). Gewonnen ist damit wenig. Mich hätte es eher interessiert, das Requiem wirklich im Gewand des Streichquartetts zu hören, abstrakter gedacht und als instrumentale(!) Musik umgesetzt. Hinzu kommt bei dieser Aufnahme ein sehr offenes, geradezu berückend ehrliches Klangbild, das bisweilen der Idee eines geschlossenen Ensembles entgegensteht, an manchen Stellen aber eine fast gamben-artige Fahlheit erzeugt. Dieses Missverständnis eröffnet allerdings weitere Überlegungen zur sinfonischen Satztechnik in der Kammermusik bei anderen Komponisten und ihren Werken…

Wolfgang Amadeus Mozart. Requiem d-Moll KV 626, arr. für Streichquartett von Peter Lichtenthal
Pandolfis Consort

Gramola 99188 (2018)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 2 von 5 in Michael Kubes HörBar #102 – Mozart. Requiem