Wie sympathisch! Auf dem Cover dieses Albums steht Rachmaninow 150 – da freut sich das Hörbar-Herz in dieser Woche. Darüber hinaus ist auch sonst vieles am Artwork anders: Verwachsene und vom Sturm abgebrochene Bäume und Gestrüpp, bedeckt von den Resten winterlichen Schnees. Wenig beschönigend. So viel Understatement ist heute selten, zumal wenn es um einen 150. Geburtstag geht. Die aufgezeichneten Werke sind allerdings nur bedingt originell. Wieder einmal wird ein altes Schlachtross ins Feld geführt: das Klavierkonzert Nr. 2 c-Moll op. 18. Wobei: Es handelt sich um den Mitschnitt des rbbKultur vom letztjährigen Konzert auf der Waldbühne am 25. Juni 2022 zum Abschluss der Saison, ergänzt um einige Solo-Werke und Bearbeitungen, die im Winter in der Philharmonie aufgenommen wurden.
Nun ist das Waldbühnenkonzert natürlich etwas Besonderes. Ganze Gruppen von Musikbegeisterten und Seh-Leuten reisen für diesen Abend eigens nach Berlin, Denn ebenso wie die auf dem Programm stehende Musik zieht die Atmosphäre des Ortes auch jene an, die sich nicht täglich der klassischen Musik hingeben. Wie bei solchen Open-Air-Events üblich, muss man trotz der guten Stimmung einige Abstriche in Kauf nehmen. Das betrifft nicht nur das unvorhersehbare Wetter, sondern auch Klang und Präzision (wie auf diesem Album). Der eine ist abhängig von den aufgestellten Mikrophonen, die andere vom Miteinander, das wortwörtlich nur «auf Sicht» geschehen kann. Warum dann aber solch ein auf CD gebannte Live-Erleben, das man sich besser in einer Mediathek «anschaut»? Warum keine zeitnahe Nachproduktion im Saal? So gibt die Einspielung leider nur einen zweidimensionalen Eindruck eines offenbar recht gelungenen Abends. Alle weiteren Klavierstücke (auch die großen Corelli-Variationen), eingespielt in der Philharmonie, wirken wie ein bunter Strauß wundervoll gespielter Zugaben – ohne Publikum und Applaus. Schade.
Sergei Rachmaninow. Klavierkonzert Nr. 2 c-Moll op. 18 (1900/01); Mélodie, aus: Morceaux de fantaisie op. 3; Variationen über ein Thema von Corelli op. 42 (1931); Im Schweigen der geheimnisvollen Nacht, aus: Sechs Lieder op. 4 (arr. von Kirill Gerstein); Fritz Kreisler: Liebesleid, (aus: Alt-Wiener Tanzweisen (arr. Sergei Rachmaninow)
Kirill Gerstein (Klavier), Berliner Philharmoniker, Kirill Petrenko
Berliner Phlharmoniker BPHR 230469 (2022, 2023)