Auf den ersten Blick mag man dabei die in den Travel Diaries versammelten Komponist:innen kaum zusammenbringen: Fazıl Say, Dobrinka Tabakova, Wolfgang Rihm, Ana Sokolović und Bryce Dessner. Sie stehen für ganz unterschiedliche Arten des Komponierens, der musikalischen Reflexion. Und vielleicht würden bei einer anderen Formation sich die hochgezogenen Augenbraunen nicht wieder so entspannt senken. Denn das Goldmund Quartett spielt die fünf Werke mit einem tiefen inneren Verständnis und einer feurigen Glut, die man selbst bei etablierten Formationen oft vergeblich sucht. Hier drückt sich mehr als nur «jugendlicher» Elan aus – man merkt den Gesten und Linien an, dass sie vielfach durchlebt wurden und nun an einem erfüllten Punkt einfach festgehalten wurden. Wie auch sonst würden Kompositionen wie Tabakovs The Smile of the Flamboyant Wings mit Dessners Aheym und dem Streichquartett Nr. 4 von Wolfgang Rihm zusammengehen? So finden sich hier ganz unterschiedliche Stilhöhen zusammen, die von einer unglaublich lebendigen, nie verkopft klingenden Interpretation getragen werden; Rihms Quartett überragt dabei alles andere – wie es in jedem Abonnement-Konzert auch ein später Beethoven tun würde. Aber genau das macht dieses Album so einmalig, so lebendig.
Travel Diaries. Fazıl Say. Streichquartett op. 29 «Divorce»; Dobrinka Tabakova. The Smile of the Flamboyant Wings (2016); Wolfgang Rihm. Streichquartett Nr. 4 (1980/81); Ana Sokolović. Commedia dell’arte III (2013); Bryce Dessner. Aheym (2019)
Goldmund Quartett
Berlin Classics 0301412 BC (2020)