21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Mozart / Pashchenko

Mozart / Pashchenko
Mozart / Pashchenko
Wie so viele Alben bleibt auch dieses Informationen darüber schuldig, aus welchen Gründen nun genau die Werkeauswahl erfolgte, welche dramaturgischen Überlegungen zur vorliegenden Koppelung führten. Dabei würden wohl kaum gewichtige Interna oder allzu pragmatische Erwägungen den Weg in die Öffentlichkeit finden, wohl aber dürfte ein offen gelegter Hintergrund den langfristigen Wert einer Einspielung erhöhen. Nahezu selbstverständlich ist dies bei den Konzept-Alben geworden, die man ansonsten in der Auswahl der (meist) einzelnen Sätze oftmals der puren Willkür bezichtigen könnte, wenn nicht gerade die originalen Werkbezeichnungen des Weg weisen. Aber vielleicht sprechen ja große Sinfonien, Konzerte oder Klaviersonaten für sich selbst. Hier jedenfalls sind es zwei Klavierkonzerte von Wolfgang Amadeus Mozart, die keineswegs zu den selten eingespielten zählen.

Und doch überrascht die Einspielung in gleich mehrerlei Hinsicht. Das beginnt mit der Auswahl der unterschiedlichen Instrumente: in KV 271 erklingt der Nachbau eines frühen Flügels von Johann Andreas Stein (1788), in KV 453 einer nach Anton Walter. Die Klangeigenschaften entsprechen dabei den Charakteren der ausgesuchten Kompositionen: Der «Stein» ist ungemein leicht und leuchtet im Ton silbrig glänzend, der «Walter» wirkt bereits etwas körperlicher und damit auch fasslicher im Ton (und Anschlag). Tatsächlich scheint sich Olga Pashchenko sowohl technisch wie auch bei der Artikulation auf die unterschiedliche Mechanik bzw. den Klang eingestellt zu haben – so differenziert, so aufregend frisch, dramatisch-gestisch, anhaltend modern und wie aus dem Moment geboren hört man diese Repertoirewerke nur selten. Dass am Ende das Solo akustisch deutlich vor das Orchester gesetzt wurde, ist verschmerzbar; das Verhältnis irritiert nur dort, wo den gelegentlich knackig aufspielenden Hörnern am Mischpult zusätzlich die dynamischen Akzente genommen wurden (Finale KV 453). – Das Ensemble Il Gardellino überzeugt mit einem in den Streichern wie auch Holzbläsern sehr warmen Klang und einer durchwegs wundervoll flexiblen agogischen Gestaltung von Tempo und Verlauf. Dieses Album wird man nicht so leicht aus der Hand legen wollen.

Wolfgang Amadeus Mozart. Klavierkonzert Nr. 9 Es-Dur KV 271; Klavierkonzert Nr. 17 G-Dur KV 453
Olga Pashchenko (Fortepiano), Il Gardellino

Alpha ALP 726 (2020)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 2 von 5 in Michael Kubes HörBar #053 – Klavierkonzerte