26. April 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Beethoven 1–9 / Liszt

Beethoven 1–9 / Liszt
Beethoven 1–9 / Liszt

Neun Sinfonien – sechs Pianisten. Innerhalb der Serie Beethoven 20/27 mit Neuproduktion und Wiederveröffentlichungen hat harmonia mundi in diesem Fall tief in das gut bestückte Archiv gegriffen. Bereits in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre entstanden diese Aufnahmen der Liszt’schen Transkriptionen von Beethoven-Sinfonien. Sie zeigen recht unterschiedliche Aspekte dieser im Original als «Partition de Piano» bezeichneten Klavierfassungen auf, die einst diese für das 19. Jahrhundert zentralen Kompositionen ohne Substanzverlust greifbar machen sollten. Franz Liszt fertigte im Sommer 1837 zunächst nur drei Transkriptionen (Nr. 5, 6, und 7) an, alles andere folgte erst 1863/64 auf Bitten des Verlages Breitkopf & Härtel. Bemerkenswert ist dabei, was sich alles wie selbstverständlich übertragen ließ, wo die Übersetzung auf das Klavier wirklich transzendiert werden musste und wieviel Raum dann doch noch zur eigenen Interpretation bleibt.

So hat mich die geradezu trocken-analytische Herangehensweise von Jean-Louis Haguenauer (Sinfonien 1+2) fasziniert, auch wegen ihrer Direktheit, die die Durchsichtigkeit des Satzes nur noch verstärkt. Wie anders dann Georges Pludermacher (Sinfonie 3), der die «Partition de Piano» sinfonisch groß anlegt, vor massiven Fortissimo-Schlägen nicht zurückschreckt und den dichten Klaviersatz mit dem Pedal leicht vernebelt. Auch fällt hier wie bei einem Teil der anderen CDs dieser Box die Aufnahmetechnik bzw. das Remastering deutlich ab (präsentes Rauschen). Wie anders gestaltet Alain Planès, für mich einer der im deutschen Sprachraum viel zu wenig bekannten Klavierpoeten (Sinfonien 4+8): Unter seinen Händen erscheinen die Klavierpartituren wie etwas zu vollgriffige Sonaten. Er denkt die Musik wirklich aus seinem Instrument heraus und trifft damit den rechten Ton. Diese gestalterische Freiheit kann man bei Paul Badura-Skoda (Sinfonie 5) vermissen, der – bei hörbaren Schnitten – die Orchesterpartitur vor dem inneren Auge mitlaufen lässt; ungewöhnlich und doch verblüffend instruktiv wirkt die Kombination mit Schuberts später Sonate c-Moll (D 958).

Dass die «Pastorale» (Sinfonie 6) Michel Dalberto zugewiesen wurde, darf als Glücksfall angesehen werden. Ihm glückt es, Landschaft und Landleben mit verhaltener Lyrik in Szene zu setzen und geht dennoch im Gewittersturm an die mechanischen Grenzen des Instruments. Ebenso verblüffend gelingt es Jean-Claude Pennetier (Sinfonie 7), die langsame Einleitung des Kopfsatzes so zu zelebrieren, wie man es orchestral kaum einmal zu hören bekommt. Für die Neunte (Alain Planès und Georges Pludermacher) wurde auf die Fassung für zwei Klaviere zu vier Händen zurückgegriffen – eine musikalisch nachvollziehbare Entscheidung, da die Komplexität der Faktur wie auch das Finale sich auf diese Weise adäquat realisieren lässt. Schade, dass im Booklet der einführende Essay über den aufgespannten atmosphärischen Bogen nicht hinausgeht.


Ludwig van Beethoven. Sinfonien Nr. 1–9 in den Klaviertranskiptionen von Franz Liszt
Paul Badura-Skoda, Michel Dalberto, Jean-Louis Haguenauer, Jean-Claude Pennetier, Alain Planès, Georges Pludermacher (Klavier)

harmonia mundi HMX 2931192.98 (1978, 1985–1987)

 

 

 

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