21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Debussy / Ravel – François-Xavier Roth

Debussy / Ravel – François-Xavier Roth
Debussy / Ravel – François-Xavier Roth

Das London Symphony Orchestra (LSO) ist nicht nur im Musikleben der englischen Metropole dauerpräsent, sondern auch auf CD. Und es entbehrt nicht einer gewissen Faszination zu sehen, wie viele Bereiche dieser Klangkörper seit Jahren gewissenhaft abdeckt – einschließlich der zeitgenössischen Musik, des publikumswirksamen «Symphonic Rock» sowie des im Hintergrund wirksamen Filmsoundtracks. Im Konzertbetrieb arbeitet es ständig mit gleich mehreren Dirigenten zusammen; aktuell besteht die Stamm-Crew aus Simon Rattle (als Chef) sowie Gianandrea Noseda und François-Xavier Roth (als Principal Guest Conductors). Ob solch ein musikalisches Großunternehmen bei allem Respekt für die organisatorische Leistung aber beständig Qualität auf allerhöchstem Niveau liefern kann?

Eine Antwort geben die Einspielungen auf dem eigenen LSO-Label. Hier erscheinen Mitschnitte aus Konzerten – nicht jedoch Konzertmitschnitte. Denn die einzelnen Werke (auch des vorliegenden Albums) erklangen zwar innerhalb eines Jahres, jedoch in unterschiedlichen Programmen. Nicht ein besonderer Abend soll in diesem Fall dokumentiert, sondern gespieltes Repertoire in sinnfälliger stilistischer Nähe auf CD verfügbar gemacht werden. Mich beunruhigt dieser kompilative, enzyklopädische Ansatz, macht er den Klangkörper und die Interpretation von Standardwerken doch auch austauschbar. Dies gilt ebenso für die hier eingespielten Werke von Maurice Ravel und Claude Debussy: Versiert gespielt und gestaltet, lassen sie dennoch eine an Farben reich glühende Interpretation vermissen.

Dies mag an der Abmischung liegen (es wurde der CD-Layer der SACD abgehört), bei der vielfach die Holzbläser vor die Streicher treten, aber auch an der Interpretation, die nur wenige Akzente setzt oder auch setzen kann. Ein Vergleich mit der Aufnahme von «La Mer» mit François-Xavier Roth und seinem Ensemble «Les Siècles« (Actes Sud, 2012) zeigt, wie anders das Werk unter identischer Stabführung klingen kann: als entfesselter, ekstatischer Klangrausch.


Maurice Ravel. Rapsodie espagnole; Claude Debussy. Prélude à l’après-midi d’un faune, La mer
London Symphony Orchestra, François-Xavier Roth

LSO 0821 (2018/19)

 

 

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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