21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Beethoven / Barry – Britten Sinfonia / Thomas Adès

Beethoven / Barry – Britten Sinfonia / Thomas Adès
Beethoven / Barry – Britten Sinfonia / Thomas Adès

Unter den viel zu wenigen Produktionen, bei denen Werke von Beethoven mit solchen unserer eigenen Zeitgenossen kombiniert werden, ist diese sicherlich programmatisch eine der interessantesten. Denn dem innersten „Kernrepertoire“, den Sinfonien, werden Partituren nur eines Komponisten an die Seite gestellt, hier und auch in der nächsten Folge Werke des irischen Komponisten Gerald Barry (geb. 1952). Mit Beethoven ist bereits 2008 abseits aller Jubiläen ein gleichermaßen klanglich kantiges wie musikalisch mit hohem Witz versehenes Stück entstanden, eine Szene im Sprechgesang, basierend auf dem Brief vom 6./7. Juli 1812 aus Teplitz an die „Unsterbliche Geliebte“. Es passt freilich zeitlich wie auch stilistisch nicht so recht zu den beiden ersten Sinfonien (1799/1800 und 1802), zudem handelt es sich bei dem Text um eine englische Übersetzung. Ver­ständlich zwar (im doppelten Sinne!), aber mit Blick auf die Absicht, die sehr per­sönlichen Worte des Komponisten musikalisch zu kommentieren, ohne sprach­liche Authentizität.

Motivisch griffig und gestisch markant ist auch das Piano Concerto (2012) angelegt. Neben dem Windmaschinenpark im Schlagwerk verlangt es im Solo nicht letzte Virtuosität, wohl aber ein genaues Ohr und die Fähigkeit, zwischen einer „Schule der Geläufigkeit“ und jazzigen Elementen rasch zu schalten – so wie dies hier Nicolas Hodges mit spürbarer Lust realisiert. Das offene Klangbild dieser Einspielung kommt den beiden Barry-Partituren geradezu vorbildhaft entgegen. Weniger stark zeigen sich indes Thomas Adès und die Britten Sinfonia bei den Beethoven-Sinfonien, die musikantisch schlank genommen werden, zugleich aber verschiedentlich Unebenheiten aufweisen. Hier ging es wohl eher um die Authentizität des Live-Mitschnitts als um einen ausgewogenen Gesamtklang. Denn fordert und fördert Barry auch den dynamisch radikal ungeschminkten Klang, so verlangt Beethoven eben doch neben einem geschlossen agie­renden und artikulierenden Orchester eine ausgehörte Interpretation.


Ludwig van Beethoven. Sinfonien Nr. 1–3; Gerald Barry: Beethoven (2008), Piano Concerto (2012)
Mark Stone (Bariton), Nicolas Hodges (Klavier), Britten Sinfonia, Thomas Adès
Signum Classics SIGCD 616 (2017/18)

 

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 2 von 5 in Michael Kubes HörBar #020 – Sinfonisches