29. März 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
Dani Howard

Dani Howard

Hat die Sinfonie im 21. Jahrhundert überhaupt noch eine Zukunft – oder hat sich das Repertoire selbst diminuiert? Jedenfalls kann man den Eindruck gewinnen, dass nur noch kürzere Werke als «Opener» aufgeführt und damit auch komponiert werden. Welches städtische Orchester möchte schon die zweite Hälfte eines seiner Sinfoniekonzerte einem neuen oder älteren unbequemen Werk opfern, wenn man das Publikum auch bequem mit Beethoven, Schumann, Brahms oder Tschaikowsky (selbst Sinfonien von Schostakowitsch gehören dazu) bedienen kann? Es sind also pragmatische Erwägungen, die das Repertoire einzuschränken scheinen und einen seit langem zu

Teil 1 von 5 in Michael Kubes HörBar #143 – zeitgenössische Sinfonik
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Ryūichi Sakamoto

Ryūichi Sakamoto

Vielleicht war Ryūichi Sakamoto (1952–2023) in der Mitte der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts der am meisten gespielte und gehörte «neue» Komponist, ohne dass man allerdings seine kurzen Stücke als «Werke» wahrgenommen hätte. Denn von ihm stammen viele der standardmäßig im Nokia 8800 (2005) verbauten Sounds und Signale. Seine Filmmusik und CD-Produktionen blieben eher etwas für Kenner, sie bewegen sich zwischen den Stilwelten Jazz, Pop und «New Classics». Trotz seiner fortgeschrittenen Krebserkrankung ging Sakamoto wenige Monate vor seinem Tod noch einmal ins Aufnahmestudio. So ist das Album Opus ein kreativer

Teil 5 von 5 in Michael Kubes HörBar #142 – Am Klavier
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Johannes Brahms / Sheila Arnold

Johannes Brahms / Sheila Arnold

Ebenfalls eine rein digitale Produktion, aber mit den gewohnt fundierten Daten und mehr, selbst nachdem das Label CAvi vor kurzem unter das Dach eines «universellen» Grossisten gezogen ist. Der aber kann oder will über sein markantes gelbes Star-Label solch wundervolle Produktionen nicht vermarkten. Gut also, dass es weiterhin Nischen für Nischen gibt. Denn Brahms auf einem Blüthner-Flügel aus dem Jahre 1862 (einem «Salonflügel») klingt doch anders, als man es im Konzert oder aus dem Lautsprecher gewohnt ist. Massen wird man damit nicht begeistern können. Wer aber Ohren hat zum Hören,

Teil 4 von 5 in Michael Kubes HörBar #142 – Am Klavier
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Britta Byström

Britta Byström

«Achte auf die Titel. Britta Byström schreibt zwar keine Programmmusik, aber die Titel sind eine Art Eingang mit nur angelehnten Türen» (Tony Lundman). Nur selten einmal findet man ein derart plastisches Bild, sich den Zugang zu einer noch unbekannten Musik zu öffnen. Und tatsächlich sind es meist ihre poetischen Werktitel, mit denen die schwedische Komponistin Britta Byström (geb. 1977) eine Idee, vielleicht gar einen Fingerzeig gibt. Dabei spricht ihre Musik selbst, freilich mit einer hohen instrumentalen Tessitura. Sie scheint über Strecken im Wind zu wehen, kommt vielfach ohne Grundierung aus,

Teil 2 von 5 in Michael Kubes HörBar #140 – :innen
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:innen / Sophie-Justine Herr

:innen / Sophie-Justine Herr

Der Titel ist «sprachaktuell» – und wählt die graphisch wohl mit Abstand adäquateste Form, zumindest eines der beiden Geschlechter (aber auch nicht mehr) grammatikalisch politisch korrekt zu schreiben (ein Großbuchstabe oder der zweckentfremdete Asterisk stören mich im Lesefluss). So sensibilisiert, muss sich das Album freilich auch Fragen gefallen lassen, wenn es inkonsequent wird. So ist im Booklet an einer Stelle von «weiblichen Komponierenden» die Rede (was mir zu hier abstrakt erscheint), verbunden mit der mir nicht ganz einleuchtenden Frage, warum es (jetzt ausführlicher zitiert) «im Bereich der Klassischen Musik noch

Teil 1 von 5 in Michael Kubes HörBar #140 – :innen
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Valentin Silvestrov / Klaviermusik

Valentin Silvestrov / Klaviermusik

In dieser Musik ist die Gegenwart weit entfernt. Eingespielt wurden kleine Sets von zwei oder drei Serenaden, Pastoralen und Stücken, die Valentin Silvestrov zwischen 2005 und 2021 geschrieben hat. Von ihm selbst stammt die Idee, diese kleinen Einheiten zu größeren zusammenzufügen – eine Idee, die der Pianist Tomasz Kamieniak für dieses Album unter dem Motto «Echoes of Harmony» aufgegriffen und weitergesponnen hat. Hinzu kommt eine sehr persönliche Komponente: Silvestrov widmete 2019 Tomasz Kamieniak sein Opus 293, Kamieniak reagierte darauf 2021 mit einem eigenen Albumblatt – das Silvestrov wiederum 2022, kurz

Teil 5 von 5 in Michael Kubes HörBar #137 – Ukraine
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Valentin Silvestrov / Requiem

Valentin Silvestrov / Requiem

Manche Werke bekommen in Lauf der Geschichte eine veränderte Bedeutung. Das gilt für Beethovens Neunte, die seit Richard Wagner vielerorts auf Silvester oder Neujahr abonniert ist, aber auch für andere Kompositionen, wenn sie in einen neuen Kontext gestellt werden. So auch für das Requiem für Larissa von Valentin Silvestrov, dem derzeit wohl bekanntesten und wohl auch bedeutendsten ukrainischen Komponisten. Zu Zeiten der Sowjetunion gehörte er mit seinen frühen Werken zur sogenannten «Kiewer Avantgarde» mit Kompositionen, die nicht so recht in den sozialistischen Realismus passen wollten. Doch inzwischen ist er in

Teil 3 von 5 in Michael Kubes HörBar #137 – Ukraine
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Philippe Chamouard / Christian Orosanu

Philippe Chamouard / Christian Orosanu

Ungewollt verbindet sich mit jeder «Neunten Sinfonie» ein gewisser Mythos, ein höherer Anspruch – an den Komponisten, die Ausführenden wie auch an das Auditorium. Das gilt nicht nur für Bruckner und Mahler, sondern auch für Schönberg, der diesen Mythos überhaupt erst genährt hat: «Es scheint, die Neunte ist eine Grenze. Wer darüber hinaus will, muss fort. […] Die eine Neunte geschrieben haben, standen dem Jenseits zu nahe.» Ein gewagter Satz, denn er berücksichtigt nur die offizielle Zählung, nicht aber die Anzahl der Werke selbst (bei Bruckner ist dies klar, bei

Teil 5 von 5 in Michael Kubes HörBar #134 – Nr. 9
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Tüür / Paavo Järvi

Tüür / Paavo Järvi

Es mag angehen, dass noch im 21. Jahrhundert Sinfonien geschrieben werden –und fast möchte ich ein «wieder» hinzufügen. In den hektischen Jahrzehnten der Avantgarde war es kaum möglich, mit einer so bezeichneten Partitur Erfolg zu haben. Die Gattung schien überholt und mit Gustav Mahler (dessen 9. Sinfonie wie ein Schlusspunkt erschien, die 10. ging schon rätselhaft darüber hinaus) an ein gewisses Ende gekommen zu sein. Soweit die zentraleuropäische Perspektive. In Skandinavien wie auch im Baltikum tickten die Uhren etwas anders – zwar unterschiedlich, aber eben doch mit einem tiefen Blick

Teil 2 von 5 in Michael Kubes HörBar #134 – Nr. 9
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