4. Mai 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
Winterreise / Voyager Quartet

Winterreise / Voyager Quartet

Den musikalischen Kommentaren zur Winterreise fügt das Voyager Quartet eine weitere Facette hinzu. Dass es sich um eine persönliche Sichtweise handelt, wird allerdings erst bei genauerem Hinhören erfahrbar. Aus dem Zyklus von 24 Liedern wurden zwölf ausgewählt, mit einem knappen Preludio versehen und mit Intermezzi untereinander verbunden. Die Auswahl richtet sich allerdings weder nach den beiden Teilen der Winterreise, auch nicht nach den von Schubert in einem ersten Anlauf vertonten Texten, die er dann später (teilweise durch Transposition) in die erweiterte Disposition integrierte. Ausgewählt wurden vor allem jene Lieder, die

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Winterreise / Trio Bogányi

Winterreise / Trio Bogányi

Der engste Freundeskreis war irritiert, Schubert aber gefielen «diese Lieder mehr als alle, und sie werden euch auch noch gefallen.» So jedenfalls hat Joseph von Spaun die ersten Reaktionen auf die Winterreise in seinen recht spät notierten Aufzeichnungen über meinen Verkehr mit Franz Schubert (1858) festgehalten. Bis heute hat der Liederzyklus nichts von seiner Faszination eingebüßt – im Gegenteil: Die darin beschriebene existenzielle Einsamkeit in der Kälte der Welt scheint aktueller denn je, ist aber heute einfacher und ohne Gesichtsverlust nach außen tragbar. Waren für Schubert noch Wilhelm Müllers Worte

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Kammerorchester Pforzheim

Kammerorchester Pforzheim

Sympathisch. Das Label cpo verfolgt konsequent seine Serie British Music for Strings auch in der dritten Folge mit einem Understatement, das man heutzutage eher suchen muss. Schon die ersten beiden Alben nannten die Komponisten auch mit Vornamen, so dass es ganz natürlich anmutet, wenn nun auch die berücksichtigten Komponistinnen vollständig genannt werden. Ein zusätzlicher Hinweis auf diese «Women Composers» hätte sich eigentlich damit erübrigt: eine unaufgeregte, ungezwungene Gleichberechtigung, die nichts werbewirksam nach vorne spült oder gar im Sinne einer political correctness akzentuiert – wäre da nicht das Backcover. Warum dort

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Amsterdam Sinfonietta

Amsterdam Sinfonietta

1988 gegründet, gehört die Amsterdam Sinfonietta im Bereich der reinen Streicherbesetzung zu den etablierten und vor allem aber zu den künstlerisch äußerst versiert agierenden Ensembles. Das belegt nicht nur die ansehnliche Diskographie (auf dem Label Channel Classics), sondern auch das seit 2004 auf gleichbleibendem Niveau eingespielte Repertoire. Man darf es als nachhaltige Qualität auslegen, dass erst nach mehr als einem Dutzend Alben mit mehr oder weniger bekannten Werken Tschaikowskys Serenade auf dem Backcover erscheint. Bereits 2014/15 aufgenommen, ruhte das Master für lange Zeit, um erst 2019 veröffentlicht zu werden. Die

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Sinfonia of London

Sinfonia of London

Vier Mal «B» wie «British» – und doch trägt das Album den Titel «English Music for Strings». Erklären lässt sich das wohl nur mit Blick in den Katalog lieferbarer Produktionen, denn der naheliegende Titel war bereits durch ein anderes Label besetzt (oder man wollte es auf der Insel wirklich sehr genau nehmen). In der Zusammenstellung der eingespielten Werke steckt allerdings nicht nur ein alphabetischer Witz, sondern ein Stück wahrer Musikgeschichte: Die drei Kompositionen von Bliss, Britten und Berkeley entstanden in enger zeitlicher Folge während der zweiten Hälfte der 1930er Jahre

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Camerata Atlântica

Camerata Atlântica

Portugiesische Musik ist noch immer eine nahezu unbekannte Größe im Konzert der europäischen Nationen. Insofern ist ein Album mehr als willkommen – zumal hier gleich drei Werke (und eine Bearbeitung) das Spektrum erweitern. Im Mittelpunkt stehen dabei Partituren von Sérgio Azevedo (geb. 1968), die eine ganz unterschiedlicher Sprache sprechen: eine (neo)klassizistische Sinfonietta, die sich gefällig ins Repertoire einordnet, und eine Music for Strings, die ihren Untertitel in memoriam Béla Bartók musikalisch deutlich belegt mit der Satzbezeichnung «Mesto», einer Meta-Fuge über den ersten Satz der Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta

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Balkan Chamber Orchestra

Balkan Chamber Orchestra

Musik für Streichorchester hat nicht nur einen ganz eigenen Charakter, sondern auch ein interessantes Repertoire – ein Repertoire, das im Konzertsaal wie auf Tonträgern lange Zeit auf nur wenige Werke begrenzt blieb. Warum das Balkan Chamber Orchestra für dieses Album daher ausgerechnet die beiden populären Serenaden von Dvořák und Tschaikowsky auf die Pulte legte, erschließt sich mir nicht. Zum einen ist die namhaftere Konkurrenz erheblich, zum anderen verdienen es die Werke, die bei mir Erinnerungen an einstige sonntägliche Promenaden-Konzerte im Radio wecken, von Bräsigkeit, Staub und Firnis befreit zu werden.

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Anton Bruckner / Jakub Hrůša

Anton Bruckner / Jakub Hrůša

Wer in einer Bibliothek einmal einen Blick auf die vielen blauen Bände der Gesamtausgabe geworfen hat, der weiß mit Sicherheit, dass es bei Anton Bruckner keineswegs die eine verbindliche Fassung einer Sinfonie gibt und geben wird. Bei der Nro. 3 ist dies wegen der ursprünglich vorgesehenen und dann gestrichenen Wagner-Zitate weithin bekannt. Bei der Nro. 4, die man als die «Romantische» wahrnimmt, wohl eher weniger. Dabei bietet gerade dieses Werk einen tiefen Einblick in die Werkstatt des Komponisten, der in nicht unerheblichem Maße revidierte, verwarf, vollständige Sätze austauschte – und

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Debussy / Schönberg

Debussy / Schönberg

Der Ring wurde schon mehrfach sinfonisch mit großem Erfolg gedeutet. Nun ist Claude Debussys Oper Pelléas et Mélisande an der Reihe. Nicht dass es bisher an anderen großformatigen Orchesterpartituren des französischen Impressionisten gefehlt hätte. Doch warum nicht den Blick auf die vollkommen durchgearbeitete Komposition mit all ihren Farben, Linien und Harmonien lenken – ganz «ohne Worte»? Tatsächlich ist es Jonathan Nott gelungen, aus den fünf Akten eine in sich stimmige, flüssig fortschreitende sinfonische Erzählung mit einer Spielzeit von ca. 47 Minuten zu formen, bei der auch viele Details sichtbar und

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Americaspaces / Robert Trevino

Americaspaces / Robert Trevino

Da hat das Land im Selbstverständnis und dem Sagen nach unbegrenzte Möglichkeiten – und doch kommt eine hoch interessante Einspielung mit «echter» Musik aus den Vereinigten Staaten ausgerechnet aus der «Alten Welt». Nun ließe sich trefflich über lange und kurze Ohren (Mozart) sinnieren; am Ende bleibt allein die Frage, welcher Klangkörper dieses vermeintliche Repertoire-Risiko eingeht und welches Label mitzieht. In diesem Fall waren es das erstaunlich jung besetzte Baskische Nationalorchester unter der Leitung von Robert Trevino (der offenbar auch für die Werkauswahl verantwortlich zeichnet) und das finnische Label Ondine, in

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American Quintets

American Quintets

Ganz unprätentiös kommt dieses Album daher. Denn hier werden die Namen der beiden Komponistinnen nicht gesondert hervorgehoben; zudem kommt das Cover ohne den Hinweis aus, dass es sich im Fall des Klavierquintetts der auf dem Plattenmarkt gerade hoch im Kurs stehenden Florence Price um eine echte Ersteinspielung handelt. Auf solche Ankündigungen hat man beim englischen Label Chandos ohnehin schon immer verzichtet, sondern viel eher mit guten, sehr guten oder gar herausragenden Produktionen gepunktet – interpretatorisch wie aufnahmetechnisch. Auch in diesem Fall kommen Kenner wie Liebhaber auf ihre Kosten. Akustisch ist

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American Pioneers

American Pioneers

Manchen wird etwas unwohl, wenn das Adjektiv «american» nicht geographisch korrekt den großen Doppelkontinent meint, sondern nur die Vereinigten Staaten und deren «way of life». Natürlich gibt es in nahezu allen Bereichen des Lebens populäre Verallgemeinerungen; dass sie sich aber auch auf seriösen Covern und im eingespielten Repertoire niederschlagen, überrascht dann doch. Die ohnehin ungenaue, oftmals allzu leichtfertig hingeworfene Begrifflichkeit verweist auf eine kulturelle Vormachtstellung, die zwar faktisch existent ist (zumal durch verschiedene musikalische Institutionen), zugleich aber vieles ausklammert oder gar ausgrenzt. Ob die auf diesem mit «American Pioneers» überschriebenen

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