22. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
Helge Lien Trio: Revisited

Helge Lien Trio: Revisited

Das norwegische Trio um Helge Lien hat sich wieder selbst besucht. Auf dieser Hybrid-Aufnahmen-CD entwickeln die drei Musiker ein hochsensibles, kammermusikalisches Poem in neun Versen. Hybrid meint hier, dass auf der CD Live- und Studioaufnahmen getrennt vereint sind. Würde man es hören, wenn man es nicht wüsste? Und würde man hören, ob es dabei die knistrig Live-Atmosphäre ist, die zur phantastischen Präzision führt, oder umgekehrt die intime Einsamkeit es ist, die im Studio meistens noch solipsistischere Bewegungen gestattet? Könnte einem eigentlich egal sein, aber auch nicht ganz. Denn am Ende

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Florian Galow: Wendekreis

Florian Galow: Wendekreis

Da hat jemand viel Freude an seinem Instrument, seinem Kontrabass. In 10 Stücken reizt er die klanglichen Möglichkeiten und ihre Raumwirkung aus. Sonorisch, flirrend, gerne auch mikrotonal, dann wieder mit deutlich rhythmischer Nebenwirkung. Aber Florian Galow ist eben allein mit sich, dem Instrument und seinem Klangraum St. Petri zu Lübeck. Das macht die Sache vertrackt. Aber er scheitert nicht, sondern gewinnt auf der kompletten ästhetischen Linie. Vor ein paar Wochen hatte ich Hub Hildenbrand mit seiner Gitarre in der Dorfkirche, ähnlich, aber doch in den polyphonen und harmonischen Dimensionen deutlich

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Sebastian Böhlen Trio: Fallalarenko

Sebastian Böhlen Trio: Fallalarenko

Wohlwollendes Hören kann schnell umschlagen in sein Gegenteil, wenn man sogenannte „Produktinfos“ zu CD-Produktionen liest, weil man den ersten Zugriff als Rezensent:in beim Hören nicht findet. So hier. Nach zwei Klaviertrios jetzt eines, das statt des Klaviers die Gitarre einsetzt. Das Infoblatt endet mit einem Zitat des Bassisten: „Da es fast nie darum ging, Fehler auszubessern, hatten wir viel Zeit, um verschiedene Versionen der Stücke auszuprobieren und aufzunehmen. Auf diese Weise sind Kompositionen entstanden, deren musikalische Tiefe in der aktuellen Jazz-Szene ihresgleichen suchen.“ Nimmt man einmal die auch denkbare Interpretation

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Andreas Hertel: Blue Bop

Andreas Hertel: Blue Bop

Anders als beim Stefan Schöler Trio steht dieses Trio in der nicht vorhandenen Tradition des Nix-kann-mich-umhaun-Jazz. Das klingt einfach gut gelaunt und läuft ab wie am Schnürchen. Das Jazz-Uhrwerk aus Groove und Swing bringt nicht aus der Unruhe. Das muss man auch erst mal können. Unmissverständlich klar ist dieses Trio auf Funktionalität, auf Funktionieren angesetzt. Eine sichere Bank im Mittelfeld, keine genialen musikalischen Bananenflanken und Fallrückzieher. Nicht immer schön, aber im Einsatz der musikalischen Mittel effektiv. Früher hätte man das mit dem Werbespruch „Da weiß man, was man hat“ verkaufen

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Stefan Schöler Trio: Wiedersehen

Stefan Schöler Trio: Wiedersehen

Angenehm unspektakulär ist die dieses Trio um den Pianisten Stefan Schöler, der ganz im Klanggefolge Jarrett‘scher Triokultur unterwegs ist. Die Standards, die er mit seinem Trio hier einspielt kommen mit dieser Selbstverständlichkeit des Unbedingten und Inkontingenten. So und genau so muss es klingen, und nicht anders. Da beißt die Maus keinen Faden ab, da gibt es nun auch keinen musikalischen Hinterhalt mit einer Klanggrube, in die man im schlimmsten Fall dann selbst noch fällt. Passiert hier nicht! Aber deshalb muss es ja nicht langweilig werden – wird es auch nicht!

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Mohammad Reza Mortazavi | Prism

Mohammad Reza Mortazavi | Prism

Da staunt man. Wie eine einzelne Person mit einer Handtrommel, bzw. mehreren umzugehen versteht und ganz allein, wenn auch hier im Mehrspurverfahren daraus verschiedene Klangwelten zusammensetzt. Ich würde die Unwahrheit sagen, wenn ich behaupten würde, ich kennte die Namen dieser Instrumente, die er das mit seinen Fingern traktiert. Es bleibt nur das Resultat, das in Track 4 „Shining“ sich weit entfernt vom rein Perkussiven mit Tongehalt zu einer Art Soundscape. Das klingt hier teilweise zudem einen Hauch bedrohlich, reißt einen nicht mit, sondern herunter in eine Geräusch- und Rauschwelt mit

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Hard Boiled Wonderland | Music Resistance

Hard Boiled Wonderland | Music Resistance

Eine weitere Wohltat und zugleich ein großer Wurf ist dieser Live-Mitschnitt eines Konzertes vom 15. Februar 2020 im Stadtgarten Köln – also kurz vor der durchdringenden gewaltigen und globalen Ruption durch die Corona-Pandemie. Logischerweise spielt die hier dann auch nicht hinein. Aber Engagement ist hier im Übermaß vorhanden, musikalisches wie auch gesellschaftliches, politisches. Das zeigt sich sofort in der Aufmachung nämlich als 104 Seiten starkes Textbuch mit CD. Ausgangspunkt für dieses Projekt sei ein Satz des Bürgermeisters von Spremberg zum gewaltsamen Tod des algerischen Asylbewerbers Farid Guendoul gewesen: „Was hat

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Trees on the Roof: Music without movies

Music without movies

Manchmal muss man auch bis auf den Grund eines Sees sehen, um dann festzustellen, dass in ihm kein Wasser ist. Ist das nicht bitter? Die CD mit „Music without movies” gehört von sich aus gesehen in die Kategorie: Easy listening. Darüber müssen wir mal wirklich reden. Easy ist dabei nämlich gar nichts. Jedes Stück klingt hier tatsächlich so, als entstammte es einer x-beliebigen Filmproduktion zu der dann ästhetisch niederschwellige Musik produziert wird, die man irgendwie schon zu kennen glaubt, obwohl kein Ton auf dem anderen sitzt. Easy wird mit der

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Volkmann: Dreams to come

Volkmann: Dreams to come

Entschuldigen Sie mal bitte, lassen Sie uns durch. Wir haben etwas zu sagen. Und los geht es mit einer eruptiven Musik, die ich lange schon nicht mehr so gehört habe. Es wird losgerotzt auf einem Perkussionsbett, es rockt danach wie aus der Garage. Eine emotionale Triebfabrik wie man sie im wohldosierten und hochschultonfallkomplexen großen Klangpool des jungen gegenwärtigen Jazz so bitter nötig hat. Der Mythos des politisch engagierten Jazz lebt und er ist ungeglättet rotzig, übertrieben, exzessiv – wie als ob man mit purer Gewalt gegen eine ästhetische Wand zu

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WOODEN PEAK - Human | Machine | Nature

WOODEN PEAK – Human | Machine | Nature

„Human | Machine | Nature ist eine elektroakustische, klangarchäologische Komposition von Sebastian Bode und Jonas Wolter. … Dreh- und Angelpunkt von Human | Machine | Nature ist die ehemalige Brikettfabrik Werminghoff, heute bekannt als Bergbaumuseum Energiefabrik Knappenrode, unweit von Hoyerswerda. Anfang der neunziger Jahre wurde die Fabrik im Zuge der politischen Wende stillgelegt und wenig später in kaum verändertem Zustand als Museum eröffnet.“ Die Autoren fragen, was wohl passiert, „wenn die Sounds aus alten Tagen zurückkehren und mit Musik und Klängen von heute verschmelzen?“ Man könnte es einfach beantworten: Nichts

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Richardson: Afrofuturism

Richardson: Afrofuturism

Bescheidenheit sieht anders aus: „Frank Zappa, Queen, Brian Wilson and Radiohead meets Schoenberg in a sci-fi 80s lounge“. So, so! Man könnte auch sagen, warum nicht mal einen musikalischen Thermomix experimentell nutzen, statt mit vorgeschriebenen Rezepten und warum die Zutaten eigentlich abmessen. Alles geht, alles muss rein. Nachher klingt es halt, wie es schmeckt. Dieser Mut wird leider ästhetisch nicht belohnt, sondern bleibt auch musikalisch reine Matschepampe. Mit dem Hype-Wording „Afrofuturism“ springt man zwar auf den Zug einer Jazzmodischkeit auf, aber am Ende klingt es hier doch wie nur schlechtbezahlte

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Istanbul 1900

Cavus & Dirks: Istanbul 1900

Neun Miniaturen zu einem Bildnis der Metropole Istanbul verdichten die beiden Gitarristen auf einer so sanfte und zarte Weise, dass man in diese Musik einschlüpfen kann, wie in eine Erzählung. Die beiden Musiker sind hier Geschichtenerzähler, die wie eine Person agieren, die eben nur mit vielen Ohren hört und mit vielen Augen sieht und mit größter Vorsicht ihre Geheimnisse preisgibt, wenn auch nicht eben alle. Die neun „Bilder“ haben ein bisschen den Klang des Orients in sich aufgehoben, wie Istanbul hier besonders durch seine Geschichte als einer Vergangenheit um 1900

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