26. April 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
Henze / Nachtstücke / Banse

Henze / Nachtstücke / Banse

Um Hans Werner Henze (1926–2012) ist es in der letzten Dekade eigenartig still geworden – im Konzertsaal wie auf dem um Aufmerksamkeit kämpfenden Tonträgermarkt. Daraus etwaige Rückschlüsse auf die Wirksamkeit seiner Musik zu ziehen, wäre allerdings voreilig. Denn Henze stand politisch wie musikalisch neben der einstigen Avantgarde. Ich erinnere mich gerade jetzt, in diesem Moment, an eine Schulaufführung seines Pollicino Mitte der 1980er Jahre – nicht etwa im Opernhaus, sondern in der schon damals architektonisch offen gestalteten Aula des benachbarten Gymnasium Altenholz-Stift. Vermutlich schrieb ich damals gar meine allererste Musikkritik

Weiterlesen
Berlioz / Holmès / Stéphanie d’Oustrac

Berlioz / Holmès / Stéphanie d’Oustrac

Erst wenn die Nächte kürzer werden, werden sie auch für die Künste interessant. Jedenfalls sind eisesstarre Winternächte gleich in welcher Darstellung rar (kalt bleibt eben kalt, Winterreisen sind gefährlich, und bei Tage gibt es fallweise Nebensonnen). Laue oder gar warme Sommernächte haben aber wohl schon immer einen gewissen Reiz ausgeübt – auch auf Hector Berlioz, der 1834 bis 1840 die entsprechenden Verse von Théophile Gautier zunächst nur mit Klavierbegleitung vertonte, seine sechs Gesänge der Nuits d’été dann aber 1856 instrumentierte und ihnen damit eigentlich erst ihre wahre Gestalt verlieh (man

Weiterlesen
lost and found / Freitagsakademie

Lost and found / Freitagsakademie

Das Motto dieses Albums ist nicht sonderlich originell. Zum einen finden sich bei einer nur oberflächlichen Recherche auch andere Veröffentlichungen solchen Namens, zum anderen muss man schon guten Willens sein, den Titel wirklich wörtlich zu nehmen. Was hier eingespielt wurde, sind (naheliegende) und teilweise in anderen Besetzungen altbekannte Rekonstruktionen, allen voran Rückführungen aus den späten Cembalokonzerten, aber auch Re-Arrangements einzelner Kantatensätze. Wer sich einmal durch Bachs Kantatenwerk gehört hat, bekommt eine Ahnung davon, was hier alles aus der Köthener Zeit musikalisch recycelt worden sein könnte. Ob dies allerdings wirklich so

Weiterlesen
Telemann / The Wallfisch Band

Telemann / The Wallfisch Band

Kein anderes Label weltweit hat so einen langen Atem, kein anderes Label verspürt eine solche Lust und Risikobereitschaft für Entdeckungen auch gegen den Strom. Man muss nicht pathetisch werden, sondern einfach nur die diskographische Realität anschauen, um zu fragen, wo die klingende Telemann-Rezeption ohne cpo aus Georgsmarienhütte heute stehen würde. Musikfeste sind wunderbar, um sich zu treffen und auszutauschen. Die «Arbeit am Repertoire» findet dann aber doch eher in Aufnahmen und Produktionen statt. Und hier verfolgt Burkhard Schmilgun als Director A&R schon seit Jahrzehnten einen geradezu enzyklopädischen Ansatz, der sich

Weiterlesen
Locatelli / Thüringer Bach Collegium

Locatelli / Thüringer Bach Collegium

Ein Geständnis vorab: Bisher habe ich mich mit der Musik von Pietro Antonio Locatelli immer etwas schwer getan; auch bei neueren Einspielungen – vermutlich unter dem fragwürdigen Eindruck eines dieser so genannten Weihnachtskonzerte, hier des Concerto per la notte di natale F-Dur op. 1/8. Mit dieser unbewusst gelebten Distanz ist nach diesem Album aufzuräumen. Denn in seinen 1735 im Druck erschienenen Introduttioni teatrali op. 4 präsentiert sich Locatelli als ein Komponist, der mit Witz und Verstand erfindet und gestaltet – und dessen Musik vom klein besetzen Thüringer Bach Collegium mit

Weiterlesen
Mauro d’Alay / Reale Concerto

Mauro d’Alay / Reale Concerto

Immer wieder verblüfft die musikalische Vielfalt, die sich in der SLUB Dresden als Schatzkammer italienischer Musik aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erhalten hat. In diesem Fall sind es Concerti des aus Parma stammenden Mauro d’Alay (1687–1757), über dessen Leben bisher kaum etwas bekannt ist. Frühe Spuren führen nach Venedig, dann nach Deutschland und London (1726/28). Schließlich wirkte d’Alay zwischen 1730 und 1747 am spanischen Hof von Philipp V., der die ebenfalls aus Parma stammende Elisabetta Farnese geheiratet hatte. In Madrid erwarb d’Alay ein für damalige Verhältnisse beeindruckendes Vermögen

Weiterlesen
Maria Stange / Solo

Maria Stange / Solo

Die Einspielung ist so direkt in der Abbildung des Tons, dass man unversehens eine ganze Menge über das Instrument, die zahlreichen Varianten der Zupfens und die damit verbundenen Klangfarben lernt. Fast könnte man von einer enzyklopädischen Schau sprechen, hört man unter dieser Perspektive etwa die herausragende frühromantische Fantasie von Louis Spohr, an der auch das Jahr der Entstehung (1807) verblüfft, das à l’espagnole aus den zwei Divertissements (1924) von André Caplet, oder auch die Scintillation von Carlos Salzedo – ein Werk, das wegen seiner extremen aufführungspraktischen Herausforderungen unter Harfenistinnen und

Weiterlesen
Julia Wacker / Widmung

Julia Wacker / Widmung

Dieses Album bleibt seinem Konzept von der ersten bis zur letzten Note treu. Was auf dem Titel zunächst recht beliebig anmutet, entpuppt sich rasch als eine keinesfalls mit leichter Hand gestrickte Folge leichtgängiger Raritäten – ganz im Gegenteil handelt es sich um eine durchdachte Dramaturgie. Und wer genauer hinsieht (und bitte, es lohnt sich!), wird ein großes Vergnügen daran haben, was Julia Wacker hier eingespielt hat. Alle versammelten Kompositionen vereint die Zueignung an herausragende Solisten, die teilweise den Komponisten spieltechnisch beratend zur Seite standen oder zumindest ihre Interpretation zu diskutieren

Weiterlesen
Antoine Malette-Chénier / Consolations

Antoine Malette-Chénier / Consolations

Trost in Tönen. So könnte man dieses programmatisch abgerundete und in sich ruhende Album charakterisieren. Auf dem bunten (und manchmal auch brutalen) Markt der Möglichkeiten hat Antoine Malette-Chénier damit nicht den einfachen Weg für sich gewählt – sicherlich aber einen, der seiner inneren Überzeugung entspricht. Denn spieltechnische Virtuosität bemisst sich nicht allein nach «Noten pro Sekunde», sondern auch nach der Ausdruckstiefe, oder auch: der Kunst, die Seele zu berühren. Und so liegt über diesem Album eine nurmehr selten anzutreffende vollkommen unprätentiöse Attitüde und Atmosphäre. Mehr räumlich als direkt, verwoben im

Weiterlesen
Anneleen Lenaerts / Vienna Stories

Anneleen Lenaerts / Vienna Stories

«Na sowas!» möchte man ausrufen, vergleicht man den Konzept-Titel dieses Albums mit dem eingespielten Programm. Denn was haben Dvořák, Smetana oder Wagner mit Wien zu tun? Aufklärung bietet das Booklet, in dem Anneleen Lenaerts in einem Essay die recht persönliche Werkauswahl erläutert. Vorab gilt es zu realisieren, dass sie Soloharfenistin der Wiener Philharmoniker ist und die legendären «G’schichten aus dem Wiener Wald» damit ihre eigenen sind – Reflexionen prägender Interpretationen des großen Opern- und Konzertrepertoires, an denen sie in den vergangenen Jahren selbst beteiligt war, musikalisch auf diesem Album gespiegelt

Weiterlesen
Xavier de Maistre

Xavier de Maistre

Er gehört zu den wenigen Meistern der Harfe, die auch als Solist auf eine große internationale Karriere blicken können. Neben technischer Brillanz und musikalischem Vermögen gehört dazu am Ende auch ein gutes Stück Fortune und der anhaltende Zuspruch des Auditoriums. Tatsächlich verstehen es Xavier de Maistre und sein Label Sony auf erstaunliche Weise, es fortwährend «köcheln» zu lassen. Neben den Solo-Auftritten gehört dazu auch die permanente mediale Präsenz mit neuen Alben – in diesem Fall eine CD mit den beiden Standard-Werken von Reinhold Glière (1874–1956) und Alexander Mossolow (1900–1973), einem

Weiterlesen
Joseph Keilberth / WDR

Joseph Keilberth / WDR

Uneitel soll er gewesen sein, und sein Dirigat in den Dienst des Komponisten, des Werks und des Publikums gestellt haben. Umso tragischer war sein Tod – ein Herzinfarkt mitten imzweiten Akt des Tristan bei einer Aufführung in München. Heute ist das unermüdliche Schaffen von Joseph Keilberth (1908–1968) nur noch auf Tonträger präsent, ein Schaffen, das aber nicht nur im Zeichen von Beethoven und Brahms, Bruckner und Reger sowie Wagner und Pfitzner stand. Wesentliche Stationen waren dabei zunächst Karlsruhe, Berlin und Prag, dann Dresden und Berlin, schließlich Bamberg, Hamburg und München.

Weiterlesen