28. April 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
The NuH[u]ssel Orchestra: The Forest [2019]

The NuH[u]ssel Orchestra: The Forest [2019]

Die Platte knallt. Dabei startet sie ganz harmlos im Streichquartett-Ton und tut so, als sei sie ein neues Werk von Arvo Pärt. Nennt sich „Ouverture“ – nur was tured sie over? Track zwei fährt da umgebremst hinein und spannt ein mexikanisch(?)-gefunktes Perkussionssegel auf in das die Bläsersätze immer wieder hineinbrettern. Das wirkt fast unglaubwürdig, so prall wie knall. Aber so geht es dann gleich weiter mit wunderbaren Arrangements, die trotz Satzleere völlig süffig bleiben. Eine Hammond-Orgel, scharfe Gitarrenriffs. Klangurwälder! Die Spannung lässt dabei nie nach, weil auch harmonisch alles eingetaktet

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The Composer’s Orchestra Berlin plays the music of Dirk Strakhof (2020)

The Composer’s Orchestra Berlin plays the music of Dirk Strakhof (2020)

So ein großes Orchester in Form einer Big Band kann ein störischer Gegenstand sein. In Komposition und praktischer Erprobung durch Realisation gleichermaßen. Das kann schnell klappern und kippen, es können dabei die Dinge auseinanderfliegen oder aber sich durch Funkenschlag in etwas Neues verwandeln. Beim Composer’s Orchestra Berlin unter der Leitung von Hazel Leach ist es anders. Die Arrangements der Kompositionen bleiben die ganze Zeit hindurch geschmeidig. Aber eben auch ohne dieses überschießende Maß an Verrücktheit, das einen als Hörenden auch mal nicht nur aufs Gleis, sondern neben die Spur setzt.

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Simon Below Quartet: Elements Of Space (2020)

Simon Below Quartet: Elements Of Space (2020)

Man fühlt sich zurückversetzt in eine Zeit, in der schon musikalisch vor der Idee der Gedanke formuliert war. Das ist atemraubend, trotz des musikalischen Sauerstoffs, der da fortlaufend von den vier Musikern produziert wird. Vor allem in den ersten beiden und dem letzten Track der CD wird der universale musikalische Bogen ausgefüllt. Und manchmal auch mit einem geradezu kuriosen Zwinkern wie bei den verzögerten Einsätzen des Basses bei Isonoe (Track 6), die eben keine „Fehler“ sind. Es geht spürbar um „Ausdruck“, nicht um virtuoses Plakatieren in skurrilen Kompositionen. Da bleibt

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Max Nagl Trio: Moped [2020]

Max Nagl Trio: Moped [2020]

Krachblitz – Raballaditrummrumm. KREISCH! Was für Hymnen an musikalische Exzessologien. Da bleibt kein Auge trocken, kein Ohr naß und einem die Spucke weg. Hübsche kleine Stückchen, Spückchen. Da nimmt die Musik eine Fahrt auf, dass Zwei-, Drei- und Viertakter kollabieren und die Bremsseile zum reißen. Ungebremst und durchgebrannt. Viel Spaß dabei, laut hören. Jazzpogotanzen im Sitzbad und zwischendrinne sich in eine Ecke zurückziehen. Das Trio rennt sich wild und wund. Schön, knallschlabbrig, pathetischplumperquadratisch im Platsch-i-versum. Darf man alles eigentlich nur in Anführungszeichen sagen, wäre sonst zu ernst. Nein wirklich, so

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Hendrika Entzian: Marble [2020]

Hendrika Entzian: Marble [2020]

Alles gut, soweit. Die Big Band schreitet durch Berge und Täler von Arrangements. Alles sitzt, alles gut soweit die Ohren hören. Die Mischung von Soloparts im Klangbett der großen Band ist zweifellos allseits und immer tadellos. Ja. Und dabei beginnt das zunächst kleine, dann große Warten. Ist das alles? Kommt da noch was drauf oder drunter? Hinter? Vor? Bevor man sich gerade an einer Stelle beginnt, zu wundern, ist alles wieder tadellos, einwandfrei. Man steht auf einer Autobahnbrücke und unter einem rauschen die Fahrzeuge geheimnisvoll wie auf unsichtbaren Schienen durch.

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Dan Weiss Trio Plus 1: Utica Box [2019]

Dan Weiss Trio Plus 1: Utica Box [2019]

Das Trio/Quartett um den Schlagzeuger Dan Weiss macht eine Musik, die geradezu bodenlos zu sein scheint. Utica Box besteht aus drei deutlichen langen Tracks mit 17, 11 und 16 Minuten. Dazwischen sind drei deutlich mittellange Stücke gesetzt von um die sechs Minuten und ein kurzes von deutlich knapp zwei Minuten. Da kann deutlich viel passieren. Und das tut es auch deutlich dann, wenn man das Gefühl hat, dass wenig passiert, aber nicht wenig genug, dass man sich in eine manisch-repetitive Ecke des Hörens zurückziehen kann und „etwas“ passieren, und das

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Windisch Quartett: Chaos (2020)

Windisch Quartett: Chaos (2020)

„Chaos, Pain, Wohin, Zulassen, Easter, Leere, Freude am Zahnrad, Gräit, Wassolldas.“ Die Titel der Tracks und damit unverkennbar Jazz aus den letzten Jahren aus Deutschland. Track-Titel, die reizen, daraus in einem höheren Sinn Lyrik zu machen. Oder Musik. In einem höheren Sinn Lyrik sind die Stücke selbst dann auch. Chaos selbst ist derartig unchaotisch, dass es einem um die Ohren fliegt. Dafür reichen heute Mittel wie bestnotierte Homophonie und krummen Zählzeiten. Pain – Schmerz oder Brot? Irrlichtert. Wohin probiert die Kunst repetitiver Permutation in Dauern und Tonhöhen – bevor es

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Gerwin Eisenhauer: 2019

Gerwin Eisenhauer: 2019 [2020]

Oh, no. No, ohh. Was ist da in den Schlagzeuger Gerwin Eisenhauer nur für ein Blitz gefahren. Ein Potzblitz, eiderdaus? Natürlich ist es mutig, verwegen, vielleicht auch nur vernünftig, in der heutigen Zeit ein Album zu machen, das nur auf CD, Vinyl oder Tape (Kassette) jeweils in einer Auflage von 200 Stück. Keine Downloads, kein Streaming! Aber die Tracks lassen einen manchmal doch verwirrt zurück. Track 2 „breathe slowly sabine“ heißt da einer, der aus dem Geist der Künstlichkeit kommt, musikalisch leider dürftig gebaut, geradezu wie in einem motivischen Fleischwolf

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Lorenz Kellhuber Trio: Samadhi (2019)

Lorenz Kellhuber Trio: Samadhi (2019)

Wenn schon, denn schon. Musikalisches Risiko ist ohne Anternative. Im Zentrum dieser Aufnahme steht eine 51-minütige Improvisation. Das Trio mit Lorenz Kellhuber, Felix Henkelhausen und Moritz Baumgärtner lässt es geschehen. Live im Theater Regensburg im Dezember 2018 aufgenommen, kann man und muss man sich dem Klangfunkenflug überlassen. Ohne Eintauchen wird es nichts werden, doch seine Ohren und sein Gehirn muss man dazu nicht abgeben. Diese sind gefordert, mithörend mitzuimprovisieren. Beiläufig geht hier gar nichts. Dieses Jazztrio macht es einem alles andere als leicht dabei. Ohne extremes Hochdrehen von Virtuositätsgeplänkel treiben

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Frank Niehusmann / Hainer Wörmann – Kabel

Frank Niehusmann / Hainer Wörmann – Kabel

Eine Musik, bei der man nicht mehr ruhig sitzen kann, eine Herausforderung an das Nichtfassbare. Nicht nur, dass da die Klänge häufig in einer Zersplitterung herumblitzen, die gleichwohl bei allen von Kabel 1 bis 6 durchzifferten Stücken ein intern (homogenes)  Geräuschfeld aufbauen (das heißt schlicht, man kann zwischen den Tracks unterscheiden!). Die Kabel-Tracks sind von einer akustischen Intensität, zwischen Gewalt und Leere, dass man hörend weit weg sein dürfte von Gedanken ewiger musikalischer Kontemplation. Man kann den Klängen nicht trauen! Wenn denn dann mal ein Rauschband wie in Kabel 6

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Ein Plattencover

Keith Jarrett: Munich 2016

Seit Anfang November 2019 kann ein relativ aktuelles Soloalbum von Keith Jarrett seinen Platz im Regal der Sammlerinnen und Sammler finden. Der Rezensent zweifelt, ob das auch musikalisch gerechtfertigt ist. Dieser Typus des Solokonzerts von Keith Jarrett ist im Ablauf zu ähnlich zu denjenigen aus Rio, Venedig oder New York (oder eben anderen Solo-Einspielungen und Kopplungen seit 2000). Es gibt da die Free-Stücke (I, II …), es gibt den etwas funkigen Teil (Part IV), einen Blues (Part IX), die lyrischen Stücke (Parts III, V, VIII, XI), schließlich die wie immer

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