14. April 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Clarinet Trio Anthology / Daniel Ottensamer

Clarinet Trio Anthology / Daniel Ottensamer
Clarinet Trio Anthology / Daniel Ottensamer
Eine Produktion aus dunklen Corona-Zeiten. Wo viele mit schnellen Ideen vor-preschen (auch im präsent zu bleiben), da machte sich das (namenlose) Trio mit Daniel Ottensamer (Klarinette), Stephan Koncz (Violoncello) und Christoph Traxler (Klavier) auf, ein stattliches Repertoire aus mehr als 200 Jahren zu durchkämmen. Im Konzertsaal wie im Katalog ist diese wunderbare Besetzung, die auch bei der sieben CDs umfassenden Box in Anlehnung an das Klaviertrio nicht ganz ideal als «Klarinettentrio» bezeichnet wird (während das Klarinettenquintett mit Streichquartett definiert ist), meist nur durch Beethoven (op. 11) und Brahms (op. 114) präsent. Dass noch viele weitere Werke existieren, wird erst seit einiger Zeit entdeckt. Das für einen Wettbewerb komponierte Trio von Alexander Zemlinsky ist unter Kennern längst kein Geheimtipp mehr, die Werke wie auch das gesamte Œuvre von Robert Kahn (1865–1951) kehren gerade erst ins Bewusstsein zurück.

Mit dieser groß angelegten, wenn auch nicht umfassenden «Anthologie» liegt nun erstmals ein Überblick vor, der zwar den Blick auf das Repertoire erweitert, aber auch die Grenzen zu anderen Werken neu absteckt. Faszinierend ist die Geschlassenheit der Interpretationen, in denen sich der einmal gefundene Tonfall durch alle Werke zieht – und damit auch die Besetzung gegenüber anderen definiert. Klanglich tritt natürlich in den meisten Sätzen Daniel Ottensamer mit seiner Klarinette hervor, hier aber nur als primus inter pares. Man spürt deutlich, wie hier ein Ensemble über Monate der intensiven Auseinandersetzung mit den Werken gewachsen ist: kompakt und doch durchhörbar, ausdrücklich gemeinsam agierend – und nicht in einer Konstellation von nur drei Instrumentalisten. Dass Axel Brüggemann im Booklet unter der Überschrift Das Klarinettentrio in Geschichte und Gegenwart dann doch nur Hinweise zu den einzelnen Werken gibt (und dies CD für CD), aber keinen dieser Anthologie angemessenen größeren Zusammenhang herstellt und (mit einer Ausnahme) grundsätzlich alle Entstehungsdaten schuldig bleibt (sie fehlen auch in der Trackliste), enttäuscht. Dennoch: Diese Box sollte für jeden Kammermusikliebhaber ein «must have» sein.

The Clarinet Trio Anthology
Ludwig van Beethoven. Klarinettentrio B-Dur op. 11 «Gassenhauer»; Arvo Pärt: Mozart-Adagio; Ludwig van Beethoven. Klarinettentrio Es-Dur op. 38 (nach dem Septett op. 20); Johannes Brahms. Klarinettentrio a-Moll op. 114; Robert Kahn. Serenade f-Moll op. 73; Wolfgang Rihm. Chiffre IV; Robert Kahn. Klarinettentrio g-Moll op. 45; Arnold Schönberg. Fragment d-Moll für Klarinettentrio; Alexander Zemlinsky. Klarinettentrio d-Moll op. 3; Friedrich Cerha. 5 Stücke für Klarinettentrio; Carl Frühling. Klarinettentrio a-Moll op. 40; Louise Farrenc. Klarinettentrio Es-Dur op. 44; Gabriel Fauré. Klarinettentrio d-Moll op. 120;
Vincent d’Indy. Klarinettentrio B-Dur op. 29; Ferdinand Ries. Klarinettentrio B-Dur op. 28; Jörg Widmann. Nachtstück für Klarinettentrio; Max Bruch: Acht Stücke op. 83; Michael Glinka: Klarinettentrio d-Moll «Trio pathétique»; Paul Juon. Trio-Miniaturen für Klarinettentrio; Daniel Schnyder. A Friday Night in August für Klarinettentrio; Isang Yun. Rencontre für Klarinettentrio; Nino Rota: Klarinettentrio; John Ireland. Klarinettentrio d-Moll; Mark-Anthony Turnage. Cortege for Chris für Klarinettentrio; Robert Muczynski. Klarinettentrio op. 26 «Fantasy Trio»; Per Nørgård. Spell für Klarinettentrio; Magnus Lindberg. Clarinet Trio
Daniel Ottensamer (Klarinette), Stephan Koncz (Violoncello), Christoph Traxler (Klavier)

Decca 485 7375 (2010/21)

HörBar<< Schumann & Co. / Sebastian Manz

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 5 von 5 in Michael Kubes HörBar #151 – Klarinette

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