Und mittendrin: drei Intermezzi von Jörg Widmann, der das 19. Jahrhundert ohnehin so berückend schöpferisch reflektiert, hier aber gleichsam durch den alten Flügel in die Vergangenheit reisen darf, um von dort aus gegenwärtig zu erscheinen. Ein Paradoxon? Keineswegs. Bei mir hinterlässt die Einspielung das Gefühl, dieser Musik (Brahms vor allem) noch einmal neu und anders begegnen zu können: unbelastet von vorn und neugierig auf das, was in den nächsten Takten folgen wird. Denn «groß» klingt dieser alte Salon-Blüthner keineswegs – seine Fülle ist begrenzt, so dass die dynamischen Angaben in den Noten zugleich den Charakter bestimmen. Das Instrument klingt eher lyrisch, es atmet und hält den Ton nicht ewig, hat aber einen sehr markanten Anschlag. Die Faszination, die Sheila Arnold an diesem Flügel ergriffen hat, überträgt sich auch im Streaming – vorausgesetzt, man widmet sich dieser Interpretation zu einer wirklich stillen Stunde. Eine Entdeckungsreise, deren zweiter Teil bereits angekündigt ist.
Johannes Brahms. Vier Balladen op. 10; Fantasien op. 116, Intermezzi op. 117; Jörg Widmann, Intermezzi für Klavier (Nr. 1, 2 und 4); Johann Sebastian Bach. Präludium E-Dur BWV 878
Sheila Arnold (Klavier)
CAvi Music 4866611 (2024)
- 72 Preludes / Mao Fujita
- Franz Schubert / Paul Lewis
- Hans Otte / Carlos Cipa
- Johannes Brahms / Sheila Arnold
- Ryūichi Sakamoto
Sehr schöner Hinweis. Danke!