Ein Album, das einen weiten Bogen über das Repertoire der Violinsonate an der Wende zum 20. Jahrhundert spannt, die nach Brahms und wenigen Einzelwerken damals kaum präsent ist. Denn diese Besetzung und Gattung ist (im Gegensatz zum Streichquartett) zu dieser Zeit sicherlich kein Innovationsträger der Musikgeschichte. Umso interessanter sind die individuellen Ausformungen der Spätromantik – oder besser: eines Stils, der sich durch Intensivierung des Ausdrucks, tonal gebundene Harmonik sowie individuelle und nationale Idiome definieren lässt. So auch bei den hier von Hellen Weiß eingespielten, technisch anspruchsvollen Kompositionen von Ernst von Dohnányi (1877–1960) und Richard Strauss (1864–1949), die allerdings zeitlich dann doch weit auseinander liegen: Dohnanyis Sonate stammt von 1911/12, die von Strauss aus dem Jahr 1888.
Bei Strauss markiert das ausladende Werk gewissermaßen den Abschluss einer ersten, konservativ orientierten Schaffensperiode (es folgte die Hinwendung zur Neudeutschen Schule und der Sinfonischen Dichtung), bei Dohnányi lebt das 19. Jahrhundert auf sehr charakteristische Weise fort. Die so unterschiedlichen Gesten und Klangfarben setzt Hellen Weiß in vortrefflicher Weise um – technisch wie auch in der differenzierten Tongebung. Sie wird dabei am Klavier von Paul Rivinius als mitdenkendem Begleiter hervorragend unterstützt. Ergänzt werden die beiden unterm Strich ganz unterschiedlichen Sonaten nicht etwa um eine dritte, sondern (und das erstaunt dann doch in der Konzeption des Albums) durch Dohnányis fünfsätzige Serenade für Streichtrio op. 10 (1902/03), die mit ihrem deutlich ungarischen Einschlag, seinem herausragenden Scherzo und dem einnehmenden Variationssatz noch heute ein «Hinhörer» ist.
Ernst von Dohnányi. Sonate für Violine und Klavier cis-Moll op. 21; Serenade für Streichtrio C-Dur op. 10; Richard Strauss. Violinsonate Es-Dur op. 18
Hellen Weiß (Violine), Wen Xiao Zheng (Viola), Gabriel Schwabe (Violoncello), Paul Rivinius (Klavier)
cpo 555 565-2 (2022)