22. Januar 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Dohnányi & Strauss / Hellen Weiß

Dohnányi & Strauss / Hellen Weiß
Dohnányi & Strauss / Hellen Weiß
Ein Album, das einen weiten Bogen über das Repertoire der Violinsonate an die Wende zum 20. Jahrhundert spannt, die nach Brahms und wenigen Einzelwerken doch kaum präsent ist. Denn diese Besetzung und Gattung ist (im Gegensatz zum Streichquartett) zu dieser Zeit sicherlich kein Innovationsträger der Musikgeschichte. Umso interessanter sind die individuellen Ausformungen der Romanik – oder besser: eines Stils, der sich durch Intensivierung des Ausdrucks, tonal gebundener Harmonik sowie individuellen und auch nationalen Idiome definieren lässt. So auch bei den hier von Hellen Weiß eingespielten, technisch anspruchsvollen Kompositionen von Ernst von Dohnányi (1877–1960) und Richard Strauss (1864–1949), die allerdings zeitlich dann doch weit auseinander liegen: Dohnanyis Sonate stammt von 1911/12, die von Strauss aus dem Jahr 1888.

Bei Strauss markiert das ausladende Werk gewissermaßen den Abschluss einer ersten, konservativ orientierten Schaffensperiode (es folgte die Hinwendung zur Neudeutschen Schule und der Sinfonischen Dichtung), bei Dohnányi lebt das 19. Jahrhundert auf sehr charakteristisch Weise fort. Die so unterschiedlichen Gesten und Klangfarben setzt Hellen Weiß in vortrefflicher Weise um – technisch wie auch in der differenzierten Tongebung. Sie wird dabei am Klavier von Paul Rivinius als mitdenkender Begleiter hervorragend unterstützt. Ergänzt werden die beiden unterm Strich dann doch ganz unterschiedlichen Sonaten nicht etwa um eine dritte, sondern (und das erstaunt dann doch in der Konzeption des Albums) durch Dohnányis fünfsätzige Serenade für Streichtrio op. 10 (1902/03), die mit ihren deutlich ungarischen Einschlag, seinem herausragenden Scherzo und dem einnehmenden Variationssatz noch heute ein Hinhörer ist.

Ernst von Dohnányi. Sonate für Violine und Klavier cis-Moll op. 21; Serenade für Streichtrio C-Dur op. 10; Richard Strauss. Violinsonate Es-Dur op. 18
Hellen Weiß (Violine), Wen Xiao Zheng (Viola), Gabriel Schwabe (Violoncello), Paul Rivinius (Klavier)

cpo 555 565-2 (2022)

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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  • Dohnányi & Strauss / Hellen Weiß
Teil 1 von 1 in Michael Kubes HörBar #144 – Violinsonaten um 1900

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