Singulär im kompositorischen Schaffen von Dietrich Buxtehude wie auch für das ausgehende 18. Jahrhundert ist der von ihm selbst auf 1680 datierte, insgesamt sieben Kantaten umfassende Zyklus der Membra Jesu nostri patientis sanctissima (Die hochheiligen Gliedmaßen unseres leidenden Jesu). Überliefert in einer autographen Tabulatur, ist das Werk dem schwedischen Hofkapellmeister Gustav Düben (ca. 1628–1690) gewidmet, der wie nur wenige andere systematisch eine Sammlung von Handschriften herausragender zeitgenössischer Kompositionen anlegte (wodurch sich zahlreiche Werke Buxtehudes überhaupt der Nachwelt erhalten haben). Im Zentrum steht die Vertonung der mittelalterlichen Verse «Salve mundi salutare». Sie beschreiben die Körperpartien des Gekreuzigten in aufsteigender Folge: Füße, Knie, Hände, Seiten, Brust, Herz und Antlitz. Vermutlich Buxtehude selbst wählte für jede Partie bzw. Kantate drei fünfzeilige Halbstrophen aus und vertonte diese als Aria mit instrumentalem Ritornell. Diese wird jeweils durch ein vollstimmiges geistliches Concerto gerahmt, dem ein komplementäres Bibelwort zugrunde liegt. Dass die Komposition als Zyklus zu sehen ist, zeigt auch das kontrapunktisch gearbeitete Amen als abschließender Teil der letzten Kantate.
Ohne größere Recherche lassen sich mehr als zwei Dutzend Einspielungen dieses großen Zyklus aus den letzten 35 Jahren nachweisen – ein sicheres Zeichen für die musikalische Substanz und die Ausdruckstiefe des Werkes, die auch heute noch (und dies trotz des lateinischen Textes) mindestens anrührt. Tatsächlich eignet sich eine solistische Besetzung weit eher für den Andachts-Charakter der Komposition als eine chorische oder gar oratorische; so erreicht die Einspielung des Ensembles Opella Musica mit nur fünf Sänger:innen und acht Instrumentalist:innen eine maximale Flexibilität wie Intimität. Als ideal erweist sich zudem die nicht zu weit reichende Akustik der Kirche Maria am Wasser in Dresden-Hosterwitz. Dass gelegentlich das gewählte Tempo etwas zu schwungvoll anmutet (wobei es dennoch ganz aus der Musik heraus vollkommen natürlich wirkt), bildet einen trefflichen Kontrapunkt zur kontemplativen Dichtung und dem meditativen Melos. So bleibt am Ende des Albums auch noch Platz für die im Stil rhetorisch dichter am Text ausgelegte Passions-Kantate. Eine großartige Produktion – und dies nicht nur am Karfreitag.
Dietrich Buxtehude. Membra Jesu Nostri BuxWV 75, Führwahr, er trug unsere Krankheit BuxWV 31
Opella Musica, Gregor Meyer
cpo 555 458-2 (2021)