Im 19. und 20. Jahrhundert wurde eher entschuldigend mit derartigen Gelegenheitswerken umgegangen, ob Ouvertüre oder hochuniversitäre Jubiläums-Kantate). In der Regel verschwinden derartige Partituren meist ungedruckt in den Archiven: zu gefällig, zu wenig ambitioniert. Diese Überlegungen und die Causa um die 12. Sinfonie von Allan Pettersson (einem aus der Fassung geratenen Jubiläumswerk) gingen mir bei den eingespielten Kompositionen von Rolf Martinsson durch den Sinn. Ein breites Publikum wird diesen Partituren sofort und gerne applaudieren können. Das muss kein Nachteil sein, aber ich habe den Eindruck, dass derartige Kompositionen mit der Uraufführung unmittelbar abgebrannt sind. Anders vielleicht im Fall von Martinssons Opus 100, bei dem er in der Auswahl seiner Texte hoch greift: Goethe, Rilke, Eichendorff – mit musikgeschichtlich so gewichtigen Versen wie Nähe des Geliebten, Die Liebende schreibt und Mondnacht (spätestens jetzt wird wohl mancher an einen selbst durchgearbeiteten Analysekurs denken – Schumann!). Bei Martinsson lebt der Zyklus durch den hellen Sopran von Lisa Larsson, der die Nummern auch auf den Leib geschrieben wurden. Stilistisch irrlichtert der Komponist freilich zwischen postromantischen Versatzstücken und Allusionen an diverse Filmscores. Mir scheint ihm gar die pointierte und kalkulierte Instrumentation wichtiger als die Substanz. Bei dieser «Einhundert» macht sich etwas Katerstimmung breit.
Nach fünf Jahren Hörbar eine kleine Feierstunde mit Rückblicken. In der Folge #100 stehen Alben und Werke im Mittelpunkt, die sich auf ganz eigene Weise explizit der „Einhundert“ widmen. Nicht alles ist dabei brandneu (das liegt oft genug in der Natur der Sache) – und doch ist jede Scheibe nach wie vor lieferbar.
Rolf Martinsson. Ich denke dein … op. 100; Opening Sounds op. 94; Tour de force op. 95; Into Eternity op. 103
Lisa Larsson (Sopran), Malmö Symphony Orchestra, Paul Mägi
BIS-2323 (2019)