21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

The Synthetists Revisited / Matty Cilissen

The Synthetists Revisited / Matty Cilissen
The Synthetists Revisited / Matty Cilissen
Synthetisten? Nie gehört? Das ging mir genauso. Um einige Hörerfahrungen reicher, kann ich nun allerdings sagen: Wer in Paris die «Groupe des Six» kennt, der sollte wenigstens einmal von den belgischen «Synthetisten» Kenntnis genommen haben. Der Zugang ist freichlich ein komplett anderer, und es fehlte in Brüssel auch an einem musikästhetischen Zugpferd, wie es in Paris Jean Cocteau war. Wie aber nun lassen sich die in der Musikgeschichte so lange verschollenen «Synthetisten» beschreiben? Sie gründeten sich am 60. Geburtstag von Paul Gilson (1925) eher informell als Les Synthétistes mit dem Vorhaben, eine «klare und lebendige Kunst mit der Synthese der Errungenschaften der zeitgenössischen Musik zu schaffen». Wer indes in großen Partituren dachte, musste zugleich arrangieren, nämlich – aus Mangel an originären Aufführungsmöglichkeiten: für Blasorchester.

Unter den repräsentierten Komponisten hat es schließlich Marcel Poot (1901–1988) zu einigem internationalen Ansehen gebracht; äußeres Zeichen dafür sind Ausgaben von einigen seiner Werke in den legendären Taschenpartituren der Edition Eulenburg. Doch auch was auf diesem interessanten Album von Jules Strens (1893–1971), Francis de Bourguignon (1890–1961), Gaston Brenta (1902–1969), Theo Dejoncker (1894–1964) und Maurice Schoemaker (1890-1964) zu hören ist, braucht sich nicht zu verstecken. Man muss es eben vor dem Hintergrund der zweiten Hälfte der 1920er Jahre sehen – und den genannten äußeren Rahmenbedingungen. Arrangiert für die einst von Arthur Prevost geleitete, bis zu 85 Mann zählende Royal Band of the Belgian Guides ist damit ein hoch interessantes, bereicherndes Repertoire für sinfonisches Blasorchester (oder auch: Wind Band) entstanden, das unterm Strich auch noch heute begeistern wird. Was die sieben Komponisten damals zum notwendigen Experimentieren trieb, hat heute eine ganz eigene Note. Das macht auch die von Matty Cilissen geleitete Royal Band of the Belgian Air Force deutlich – auch wenn man an einigen Stellen merkt, dass die Werke für das Ensemble eine spannende Herausforderung darstellten.

The Synthetists Revisited
Jules Strens. Gil Blas op. 2 (1921); Marcel Poot. Tartarin de Tarascon (1924); Francis de Bourguignon. Récitatif et Ronde op. 94 (1951); Gaston Brenta. Zo’har (1928); Théo Dejoncker. Guitenstreken; Maurice Schoemaker. Brueghel Suite (1928)
Royal Band of the Belgian Air Force, Matty Cilissen

Naxos 8.579135 (2022)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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