21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Yamabiko Quintet

Yamabiko Quintet
Yamabiko Quintet

Schon wieder eine Platte, die einfach nur «hot» ist. Also richtig heiß. Ein geradezu mystischer Ritt durch Gruppenimprovisationen und durch lange Linien von verschlungenen Linien als Prozession. Das erste Stück dieser Platte «Bow»lässt da keinen Zweifel aufkommen: Hier musiziert ein Kollektiv der Individuen aus freien Stücken in freien Stücken.

Da kocht es weit und breit. Eigentlich eine alte Art des Musikmachens aus dem letzten Jahrhundert, als Gruppen wie das «Art Ensemble Of Chicago» zum Ritual gerufen hatten. Da kann alles passieren und es schadet nicht im Geringsten, wenn das auch auf der Platte temporär niedergelegt wird. Denn alle Lust will bekanntlich Ewigkeit. Und jeder Klang sucht sein rauschhaftes Verströmen in seiner Unendlichkeit und trägt doch eine fragile Sterblichkeit in sich. Das ist die Spannung, in der diese Platte ihr Tempo findet. Hier ist das fast Unwahrscheinliche in Zeit geformt.

Wie soll man das als Rezensent anders ausdrücken? Dieses Geschehenlassen, diese Lässigkeit, die sich nicht abarbeiten oder durchkneten lässt, sondern in der Freiheit zur offenen Form gefriert. Man stelle sich das vielleicht vor wie ein durchaus komplexes Puzzle aus 964 Teilen, das man zu ganz unterschiedlichen Bildern zusammensetzen kann – aber nicht in zwei Dimensionen, sondern in mindestens dreien. Das erzeugt hier eine Tiefenwirkung, die auch Ergebnis ist, wie Melos und Rhythmus ineinander verdrillt werden. Da wird mal hymnisch scharfgezeichnet und im anderen Moment oder zur gleichen Zeit verwischt, so dass man den Boden unter den Füßen verliert und die Musik zu schweben beginnt, bis sie wieder dann an einer neuen oder alten Idee ankert.

Große Musik!


YAMABIKO QUINTET [2023]

  • Michel Pilz – bassclarinet
  • Reiner Winterschladen – trumpet
  • Frank Paul Schubert – alto & soprano saxophone
  • Christian Ramond – double bass
  • Klaus Kugel – drums

Nemu Records (VÖ 1.1.2023)

Autor

  • Martin Hufner. Foto: Kurt Hufner

    Martin Hufner ist Musikjournalist, Musikwissenschaftler, Blogger. Er betreut nebenbei die Online-Redaktion der neuen musikzeitung.

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hoerbar_nmz

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