21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Adrian Tully / Reflections

Adrian Tully / Reflections
Adrian Tully / Reflections

Das Saxophon kann zwar auf eine lange, im Vergleich mit anderen Instrumenten aber doch nur kurze Geschichte zurückblicken. Zunächst für die Militärmusik erfunden, zog es zwar bald in die Kunstmusik ein. Und doch blieb es in all seinen Bauvarianten immer eine Art Sonderling im Orchester wie auch in der Kammermusik, während es aus dem Jazz nicht mehr wegzudenken ist. Vor diesem Hintergrund gilt es auch den Werkbestand zu bewerten: ein Repertoire, das sich erst im 20. Jahrhundert mit jeder Dekade zusehends erweiterte. Für ältere Epochen sind also Bearbeitungen oder Transkriptionen notwendig. Und warum sollte man nicht auch Bach, Boismortier und viele andere auf dem Saxophon spielen?

Mit dieser Frage hat sich Adrian Tully bei diesem Solo-Album auseinandergesetzt. Ein Recital im besten Sinne, das den Künstler portraitiert, zugleich eine ganze Reihe von solistischen Werken vorstellt und dann auch noch die Farben und Klänge des Saxophons aufzeigt. Wo transkribiert wurde, gelang dies am besten dort, wo die Musik im Tonsatz ohnehin abstrakt ist (Boismortier), während etwa Quantz schon zu idiomatisch schrieb. Selbst der Suite op. 131d/2 von Max Reger ist dann doch anzumerken, dass sie für ein Streichinstrument geschrieben wurde. Tatsächlich wird es erst dann wieder interessant, wenn sich Adrian Tully zeitgenössischer Musik zuwendet, die mit ihren vielfachen Abstraktionen im Saxophon ein Instrument findet, dessen Ton und Tongebung Ausdrucksspektren erkundet. Adrian Tully ist fraglos ein Meister des Instruments (hier in Sopran- und Alt-Lage). Ein sehr angenehmer Klang lädt geradezu zum Hören ein.


Adrian Tully / Reflections

  • Joseph Bodin de Boismortier. Prèmiere Suite e-Moll op. 35
  • Johann Joachim Quantz. aus: Fantasies & Preludes
  • Anton Stamitz. 3 Caprices
  • Henri Vieuxtemps. Capriccio «Hommage a Paganini»
  • Max Reger. Suite op. 131d/2 (1915) für Viola solo (arr. für Saxophon)
  • Kazuo Fukushima. Requiem (1956/2021)
  • Kalevi Aho. Five Mythical Images (2015/2021)
  • Thierry Escaich. Cantus III (2017/2021)

Adrian Tully (Saxophon)

MDG 603 2262-2 (2021)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 1 von 5 in Michael Kubes HörBar #088 – Saxophon