In diesem Fall täuscht der Name des Ensembles. Denn das dänische Carl Nielsen Quintet hat auf dem Album nicht etwa das eine phänomenale Werk des Namenspatrons aufgenommen, sondern fünf Kompositionen des jungen Niels Viggo Bentzon (1919–2000) – und davon gleich vier Partituren in Ersteinspielung. Zu Gehör kommt damit einer der produktivsten und im Verhältnis dazu: unbekanntesten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Nahezu 1000 Kompositionen zählt das Werkverzeichnis von Bentzon. Die fünf Nummern für Holzbläserquintett stammen aus der ersten Zeit zwischen 1943 (op. 21) und 1958 (op. 116) und zeigen deutlich seine Fähigkeiten und sein Geschick, idiomatisch und nicht etwa «gegen» die Instrumente zu schreiben.
Ob alle Sätze dieser Kompositionen in die Ewigkeit eingehen werden, sei dahingestellt. Sie zeigen aber eine schöpferische Lebendigkeit in einer durch-wegs bedrängten Zeit – sei es während der Besetzung Dänemarks, sei es später unter dem Diktat der musikalischen Avantgarde. Eine Bereicherung des Repertoires stellen die Werke in jedem Fall dar (auch wenn die Frage offen bleiben muss, ob Bentzon die Quintette Nr. 1+2 einst selbst kassierte). Was nun aber die Produktion des Albums angeht, so stellen sich zwei Fragen. Da wäre zunächst die «very dry» anmutende Akustik, die das Ensemble nicht nur nüchtern abbildet, sondern auch keine Atmosphäre entfaltet. Doch auch das Cover des Albums irritiert: Warum versteckt das Label dacapo neuerdings die Namen von Komponisten und Interpreten auf dem Titel im Kleingedruckten? Beide stehen doch gerade für den wahren «content».
Niels Viggo Bentzon. Variations op. 21 (1943), Bop Quintet op. 80 (1952), Wind Quintet No. 3 op. 29 (1944), Wind Quintet No. 4 op. 59 (1949), Wind Quintet No. 5 op. 116 (1958)
The Carl Nielsen Quintet
dacapo 8.226127 (2021)