6. Dezember 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Composers’ Orchestra Berlin: Holding Pattern

Composers’ Orchestra Berlin: Holding Pattern
Composers’ Orchestra Berlin: Holding Pattern

Corona, Corona, Corona. Für viele angeblich längst vorbei, aber lassen wir den unmöglichen Streit über Wissenschaft und Gefühl besser außen vor. Die musikalische Nachschüttung allerdings läuft – manchmal unter dem Label „Neustart Kultur“ (in diesem Fall hier allerdings nicht): Lauter kreative Prozesse, die da in Gang gesetzt wurden, wenn man den Pressetexten glauben schenken will: „Viele der Titel wurden während des Corona-Lockdowns geschrieben: Im Rückblick hatte dies mehr Einfluss auf den kreativen Prozess als man sich vorgestellt hatte.“

Es sind neun verschiedene Komponist:innen in zehn Titeln. Vielfalt ist garantiert, sofern man vom Orchester selbst abstrahieren kann, das offenbar eine gewissen Klangeigenschaft mit sich bringt. Aber Spaß beiseite, beziehungsweise zugelassen – das gleiche Phänomen träfe ja auf Piano-Trios zu.  (Aber die Frage ist nicht ganz uninteressant an sich. Da zu vielleicht bei gegebenem Anlass an anderer Stelle mehr.)

Die Stücke sind, jedes für sich, ausgefeilt arrangiert und in musikalische Szene gesetzt. Starke Soli innerhalb der Piecen sorgen für angenehm beschwerten Genuss. Denn letztlich ist jeder Track eine Überraschung für sich, weil es so viele verschiedene Autor:innen sind und damit auch der formale Ablauf alles andere als sicher.

Benebelt geiler Genuss muss erwähnt sein wie in Track 3 „Daught Abbroad“ von Heiko Kulenkampff. Die Choraltöne von Fee Strackes „Teetisch“ im gerüttelten Schlaf-Rock der Streicher, oder das zum Träumen zwingende „Nuñez“ von Agustin Strizzi. So könnte man jedes Stück durchgehen. Alles kleine Perlen auf der Schnur der kreativen Prozesse kondensiert – manchmal glitzert es dabei, manchmal ist es eher diesig; oder etwas auch perspektivisch unentschlossen wie die Kondensstreifen des Flugzeugs auf dem Cover der CD – oder aber ist etwa der/die Grafiker:in ein:e heimliche:r Vertreter:in der Chem-Trail-Fantasien?

Mitnehmen lassen. Eintauchen, Luftholen, wieder eintauchen. Corona ist zumindest musikalisch wirklich vorbei. Die Musik zirkuliert, sie atmet, sie ist in Energie.


The Composers’ Orchestra Berlin / Hazel Leach – Holding Pattern

  • Hazel Leach, Tian Korthals, Heiko Kulenkampff – cond.
  • Ruth Schepers, Hazel Leach, Tian Korthals, Steffen Dix, Markus Busch – fl/reeds
  • Aaron Schmidt-Wiegand, Christoph Titz, Achim Rothe – tp, Anne Dau, Julian Gretschel – tb, Benjamin König, Philipp Krüger – tuba
  • Davis West, Daniel Friedrichs, Joana Carvalhas, Natasha Jaffe, Frederico Malverde – strings
  • Heiko Kulenkampff, Fee Stracke – p, Daniel Meyer – g, Dirk Strakhoff – b, Tom Dayan, Agustin Strizzi – dr

JazzhausMusik JHM 285

Autor

  • Martin Hufner. Foto: Kurt Hufner

    Martin Hufner ist Musikjournalist, Musikwissenschaftler, Blogger. Er betreut nebenbei die Online-Redaktion der neuen musikzeitung.

    View all posts
hoerbar_nmz

Der HörBar-Newsletter.

Tragen Sie sich ein, um immer über die neueste Rezension informiert zu werden.

DSGVO-Abfrage*

Wir senden keinen Spam! Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung.