21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

American Quintets

American Quintets
American Quintets

Ganz unprätentiös kommt dieses Album daher. Denn hier werden die Namen der beiden Komponistinnen nicht gesondert hervorgehoben; zudem kommt das Cover ohne den Hinweis aus, dass es sich im Fall des Klavierquintetts der auf dem Plattenmarkt gerade hoch im Kurs stehenden Florence Price um eine echte Ersteinspielung handelt. Auf solche Ankündigungen hat man beim englischen Label Chandos ohnehin schon immer verzichtet, sondern viel eher mit guten, sehr guten oder gar herausragenden Produktionen gepunktet – interpretatorisch wie aufnahmetechnisch.

Auch in diesem Fall kommen Kenner wie Liebhaber auf ihre Kosten. Akustisch ist das noch junge Kaleidoscope Chamber Collective bei seinem alles andere als gewöhnlichen Debüt-Album äußerst präsent, fast haptisch greifbar eingefangen – und zwar so sehr, dass bei Samuel Barbers wundervollem Dover Beach die dun-kel timbrierte, gelegentlich brüchig anmutende Stimme von Matthew Rose ein wenig nach hinten versetzt erscheint. So transparent aber hat man die durchgearbeitete Faktur des Werkes wohl bisher kaum hören können. – Geradezu saftig geht es bei den beiden Klaviertrios zu. Sie stammen aus den Jahren 1907 (Amy Beach) und 1935 (Florence Price). Dass die Kompositionen voll spätromantischer Attitüde sind, muss freilich nicht verwundern – handelt es sich doch um eine Gattung, die erst um die Jahrhundertwende in zahlreichen Einzelwerken aufblühte, als man die sinfonische Fülle der Moderne auf ein Kammerensemble übertrug. Dies ist auch in der Komposition von Florence Price noch zu spüren, bei der im ausgreifenden Kopfsatz unterschiedliche Einflusssphären zueinander finden, darunter auch Anklänge an schwarze Melodien oder das betont europäische instrumentale Rezitativ. Im weiteren Verlauf werden Gospel und Juba geradezu veredelt. Genau aus diesem Grund aber lohnt das doppelte, ja mehrfache Hinhören.

American Quintets
Amy Beach. Klavierquintett fis-Moll op. 67 (1907); Samuel Barber. Dover Beach op. 3 (1931); Florence Price, Klavierquintett (ca. 1935)
Kaleidoscope Chamber Collective, Matthew Rose (Bass), Elena Urioste (Violine), Melissa White (Violine), Rosalind Ventris (Viola), Laura van der Heijden (Violoncello), Tom Poster (Klavier)

Chandos CHAN 20224 (2020), SACD

HörBarAmericaspaces / Robert Trevino >>American Sonatas >>

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 1 von 5 in Michael Kubes HörBar #050 – «America»