Das Live dürfte manchen Hörenden etwas ulkig vorkommen, kennt man dergleichen doch so gut es geht vom Studio her, nämlich elektronisch erzeugte Klänge. Hier zudem von einer Person allein. Was ist da live? Wozu bedarf es des Publikums. Umgekehrt ist es kein Thema, das Publikum bedarf der Klänge, es geht ja nicht ohne. Dass das alles in der Berliner Philharmonie passiert, zeigt jetzt aber genau was? Dass diese Art elektronischer Live-Musik im Tempel der Hochkultur angekommen ist? Oder nur Platz gefunden hat? Die Platte wirbt ja mit beiden Elementen schon im Titel. Nach Hause holt man sich das aber als Konserve.
Zugegeben, ein total sperriger Anfang, dabei ist das, was Stefan Goldmann hier veranstaltet ein Hochgenuss in der Kunst der Sozialisation von Klang-Nuancen, dabei aber nicht in ekstatischen Ewigkeiten verharrend, sondern mit definierten Verläufen unterschiedlicher Teilstücke, die jeweils eine spezielle Materialität erklingen lassen. Also zurück in die Philharmonie. Goldmann selbst sagt, er habe diesen Abend speziell auf die innere Architektur des Scharoun-Baus hin konzipiert – live ist eben hier doch zugleich mehr als nur live. Was uns hier hörend bleibt ist der Downmix für zwei Lautsprecher oder einen Kopfhörer oder Ear-Pods.
Rhythmisch kann das hypnotisierend als auch mal als Tanzmusik durchgehen wie in „caesium-133“ oder „merge“. Aber musikalisch ist das alles doch verdammt locker gestrickt und so schnell in den Wirkungen, dass man mit Zuhören gewiss genug beschäftigt ist. Da brummt es und flitschert es mal quer durch den Tonraum. Und plötzlich ist man schon in einer anderen Klangwelt, die pulst und oszilliert. Und schon queren gegenläufige Glissandi den Hörraum. Tonalität löst sich auf.
Das ist alles mit großen Ohren anhörbar, selbst von CD und funktioniert genügend. Denn die Reichhaltigkeit der eingesetzten Klangmittel ist einerseits so enorm, wie auch andererseits ihre Anwendung geradezu ökonomisch sparsam ist. Goldmann schöpft aus dem Vollen, aber es strömt nicht in Überwältigungsklängen.
Stefan Goldmann: Live at Philharmonie Berlin
Stefan Goldmann, electronics
Macro M63