5. November 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
Jazz Violin Concertos

Jazz Violin Concertos

Der Titel wirkt auf mich ein wenig irritierend. Denn er suggeriert eine stilistische Definition, die so nicht gegeben ist und die auch auf die Bezeichnungen der hier eingespielten drei Partituren verweist. Tatsächlich wird man am ehesten noch das mehrteilige Konzertstück Wings (kein Konzert!) von Friedrich Gulda (1930–2000) als ein «Jazz Concerto» aufrufen, weil es von den Gegensätzen und im letzten Abschnitt von der «rythm section» lebt. Herbert Berger hingegen (*1969) nannte sein «Konzert» Metropoles Suite, Sabina Hank (*1976) das ihre Three Songs for an Abandoned Angel. Was alle drei Kompositionen

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Jazzissimo

Jazzissimo

Ein Album, dessen Titel am Ende etwas zu kurz greift. Denn ob wirklich alles «Jazzissimo» ist, darf man am Ende für sich entscheiden. Was ist beispielsweise an der Carmen-Fantasy von Alexander Rosenblatt «Jazz» – oder doch «nur» Kolorit? Will man die zweite Violinsonate von Maurice Ravel wirklich allein unter dem Etikett «Jazz» subsumiert wissen? Wohl kaum. Und die bekannte Nummer Le boeuf sur le toit von Darius Milhaud lässt sich auch mit einem großen Anteil «à la» hören. Und so kommt wieder die Frage: Was wurde zu welchem Zeitpunkt als

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jazz – Akhunov / Poulenc / Messiaen

jazz – Akhunov / Poulenc / Messiaen

Heute stellt sich mitunter die Frage, was wirklich unter «Jazz» zu verstehen ist. In den 1920er und 1930er Jahren war es anders: Damals wurde vieles allzu großzügig unter diesem Label subsumiert – in der Literatur, in der bildenden Kunst, aber auch in der Musik. Oft genügte das bloße Ausbrechen aus festen (oder als fest empfundenen) oder auch nur tradierten Formen. In der Literatur jedoch wurde der Jazz selbst zum Thema gemacht, dann aber bezog er sich meist auf den Tanzjazz mit Tango, Boston und Shimmy. In der bildenden Kunst taucht

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Nikolai Kapustin – Blueprint

Nikolai Kapustin – Blueprint

Mit dem Ersten Weltkrieg kamen die ersten Jazzbands nach Europa. Und sofort zogen die absolut neuen und unverbrauchten Rhythmen und Töne in viele Kompositionen der jungen Generation ein. In den 1930er Jahren kam es dann im Umkreis von Benny Goodman sogar zu verblüffenden synergetischen Effekten. Nach dem Zweiten Weltkrieg musste die Idee allerdings erst wieder auf einer anderen Stufe neu entdeckt werden. Sogar in der Sowjetunion wurde damals im Konzert gejazzt. Ein herausragendes Beispiel dafür ist Nikolai Kapustin (1937–2020), der seine spät einsetzende Anerkennung nicht mehr ganz erleben konnte. Neben

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Arvo Pärt – Credo

Arvo Pärt – Credo

Auch wenn der Titel des Albums zunächst nur auf eine im Jahe 1968 vollendete Partitur abzielt, so ist er doch weit umfassender. Er umfängt das nun schon neun Dekaden umfassende Leben von Arvo Pärt, aber eben auch sein Schaffen. Dem «ich glaube» ist nämlich auch die umfassende «Glaubwürdigkeit» seiner Musik an die Seite zu stellen – von der frühen avantgardistischen Periode über eine Phase mit neoklassizistischen Experimenten bis hin zu all den Werken, mit denen er seit einem halben Jahrhundert ein breites und von ganz verschiedenen Voraussetzungen kommendes Publikum erreicht.

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Arvo Pärt – For Arvo

Arvo Pärt – For Arvo

Ein Komponistenleben «in a nutshell». Denn Georgijs Osokins reist mit diesem Album durch den gesamten Klangkosmos von Arvo Pärt, der auch all jene Werke umfasst, die vor den 1970er Jahren und dem Tintinnabuli-Stil entstanden sind. Man hat fast den Eindruck, es wären nicht nur zwei ganz unterschiedliche, sondern mehr noch gegensätzliche Œuvres versammelt. Wenn da nicht hier und da einige Klänge, Gesten und Pausen wären, die beim Hören wie eine viele Lichtjahre entfernte Vorahnung erscheinen (etwa im Larghetto der Partita op. 2), sich dann aber in einem anderen Kontext ganz

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Arvo Pärt – And I heard a voice

Arvo Pärt – And I heard a voice

Offensichtlich treffen estnische Ensembles den Ton der Musik von Arvo Pärt am besten. Jedenfalls kann man einmal mehr diesen Eindruck bei dem aktuellen Album mit dem Vokalensemble Vox Clamantis unter Jaan-Eik Tulve gewinnen – ein Album, das (wie so oft bei ECM) einen Referenz-Status erreicht. Ohne auch nur im Ansatz ein Vibrato zu erzeugen, zelebrieren die exzellenten Vokalisten diese karge und zugleich warme Klangwelt zwischen irdischem Glauben und himmlischen Sphären. Hier sind es Werke, die nach der Jahrtausendwende entstanden, also vergleichsweise «neu» anmuten und längst nicht mehr dem Tintinnabuli-Stil in

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Arvo Pärt – Lente

Arvo Pärt – Lente

Die Musik von Arvo Pärt (*1935) gewinnt erst durch einen weiten Raum, seine öffnende Akustik und wärmenden Nachhall ihre spirituelle Tiefe. Man wird sich kaum eine seiner Partituren in einem trockenen Studio vorstellen können, denn sie würde einen wesentlichen Teil von sich verleugnen. Das war bereits bei den ECM-Produktionen aus den späten 1980er Jahren erkennbar – und auch bei dieser aktuellen Produktion ist es in gleicher Weise zu hören. Nicht nur das Stabat Mater und die Berliner Messe mit ihren kanonisierten Texten, sondern auch die drei rein instrumentalen Werke benötigen

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Jüri Reinvere – Ship of Fools

Jüri Reinvere – Ship of Fools

Ein gestrandetes Holzschiff, das durch Sturm und Wellen an der Küste wieder freigelegt wurde. Wofür mag das historische Wrack auf dem Cover des Albums aber stehen? Ist es ein Symbol für das literarische Narrenschiff von Sebastian Brant aus dem Jahr 1494, das im 21. Jahrhundert angespült wurde? Dort lautet der zentrale Satz, der auch heute noch von brennender Aktualität ist: «Mundus vult decipi, ergo decipiatur» (Die Welt will getäuscht werden, also lasst sie uns täuschen). Der seit zwei Jahrzehnten in Deutschland lebende estnische Komponist Jüri Reinvere (*1971) hat jedenfalls in

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Simeon ten Holt – Jeroen van Veen

Simeon ten Holt – Jeroen van Veen

Ein Projekt, das sich nahtlos in die Diskographie von Jeroen van Veen einfügt. Denn der Niederländer hat sich als Pianist ganz (wenn auch nicht ausschließlich) der minimalistischen und repetitiven Musik verschrieben. Und er spielt die Werke mit einer Poesie, die wiederum selbst als prägend bezeichnet werden muss. Selten agitativ, sondern für gewöhnlich in einem weichen, warmen Wattebad nimmt er sich gerne auch Zeit für enzyklopädische Einspielungen – immer unterstützt vom Label Brilliant Classics. Eine feine Symbiose, die offenbar vieles erst möglich macht. So wie diese Box mit 20 CDs und

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Philip Glass – Tana Quartet

Philip Glass – Tana Quartet

Es bleibt erstaunlich, wie Philip Glass sich und seine Patterns immer wieder neu erfindet. Die innere Kraft einer noch lange nicht erschöpften Tonalität steht ihm dabei zur Seite – so auch in den Streichquartetten Nr. 8 (2018) und Nr. 9 (2021). Zwei Werke, die sich dann aber doch recht unterschiedlich mit der Gattung auseinandersetzen. Der dem Album beigegebene, äußerst knappe Kommentar, die Nr. 8 sei «Schubertian in nature», ist freilich missverständlich. Man kann ihn auf die Länge(n) und Sequenzen beziehen, oder auch mehr auf die Faktur und den Wechsel der

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Steve Reich – Mivos Quartet

Steve Reich – Mivos Quartet

Unter dem Titel «The String Quartets» sind auf diesem Album erstmals alle drei Werke versammelt, die Steve Reich mit einem Streichquartett besetzt hat. Eine zugegeben zögerliche Formulierung, denn es besteht ein gravierender Unterschied zwischen der Besetzung und der mit ihr verbundenen Gattung. Selbst das 1998 entstandene Triple Quartet (1998, ohne vokale Zuspiele) verlangt nach drei Ensembles oder im Vorwege einer Aufführung produzierte Zuspielbänder. Das Ensemble erscheint dabei nicht mehr als Formation vier gleichberechtigter Stimmen, sondern als ein Instrument – eine satztechnische Entscheidung, die sich so schon in den Quartett-Konzerten von

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