20. April 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
Byrd / Mass for five voices

Byrd / Mass for five voices

William Byrds fünfstimmige Vertonung des Ordinarium Missae, die etwa Mitte der 1590er Jahre entstand, darf als einer der letzten Höhepunkte der Gattung in der Renaissance angesehen werden. Ausdrucksstark und in einem dichten Gewebe gearbeitet, kommt sie zwar ganz ohne Cantus firmus aus, dennoch greift Byrd zu Beginn der Sätze auf die alte Tradition ähnlicher Initien zu Beginn der einzelnen Sätze zurück – ein kompositorischer Kniff, um Zusammenhang und «Zyklus» herzustellen, denn die einzelnen Sätze der Messe erklangen im liturgischen Rahmen keinesfalls direkt aufeinander folgend, sondern selbst in kleineren privaten Andachten

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Byrd / My Ladye Nevells Booke

Byrd / My Ladye Nevells Booke

Es ist wohl allein der Sammel-Leidenschaft von John Baldwin, einem Sänger der St. George’s Chapel (Windsor Castle) und seiner Verehrung des Komponisten William Byrd zu verdanken, dass in einem einzigen singulären Manuskript insgesamt 42 Kompositionen für Virginal überliefert sind. Doch auch die Geschichte der am 11. September 1591 vollendeten Handschrift, bekannt als My Ladye Nevells Booke, ist einzigartig: Es befand sich im Besitz von Elizabeth I., später ist es bei Charles Burney nachweisbar, im 21. Jahrhundert gelangte es in den Besitz der British Library – als Ausgleich einer angefallenen Erbschaftssteuer.

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Byrd / Psalmes, Songs and Sonnets (1611)

Byrd / Psalmes, Songs and Sonnets (1611)

Viel zu selten wird eine derart umfangreiche Sammlung von unterschiedlichsten Sätzen vollständig eingespielt. Beim Magnus opus musicum (1604) von Orlando di Lasso wird der Wunsch wohl auf absehbare Zeit unerfüllt bleiben, bei den Psalmes, Songs and Sonnets (1611) von William Byrd wurde er Wirklichkeit. Es handelt sich zwar um ein Alterswerk, nicht aber um einen Schwanengesang. Byrd fasste sein kompositorisches Lebenswerk zusammen, indem er vor allem neue Stücke als Summa und Krönung schrieb. In seinem eigenen Vorwort zur Druckausgabe schrieb er: «Die natürliche Neigung und Liebe zur Kunst der Musik,

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The Honour of William Byrd

The Honour of William Byrd

Alison Kinder macht sich in ihrem Booklet-Essay auf die Suche nach «William Byrd» als Mensch hinter seiner Musik. Ein Unterfangen, das in dem begrenzten Raum weniger Seiten kaum gelingen kann und wohl eher an der spekulativen Oberfläche bleiben muss, als zum wahren Kern vorzudringen. Dennoch: Der Wunsch ist mehr als berechtigt, dem über viele Jahrzehnte hinweg auf höchstem Niveau produktiven Komponisten auf neuen Wegen näher zu kommen. Es sind dann auch eher die Details, die einen Einblick in den Menschen zulassen – etwa im innigen Trauergesang auf den Lehrer und

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On Byrd’s Wings / Boreas Quartett Bremen

On Byrd’s Wings / Boreas Quartett Bremen

Wann genau er geboren wurde, wusste William Byrd selber nicht. Und so ist es unklar, ob er bereits 1540 oder doch eher 1543 das Licht der Welt erblickte. Auf jeden Fall gilt er bis heute als der bedeutendste Komponist seiner Zeit auf den britischen Inseln. Byrd war mit seiner Kunst schon unter den Zeitgenossen so hoch angesehen, dass er sich – als bekennender Katholik – selbst im Elisabethanischen Zeitalter nicht unterwerfen musste. Dass 2023 sein 400. Todestag begangen wurde, ist außerhalb der «Alte Musik-Szene» wohl kaum aufgefallen – was mit

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Respighi / Robert Trevino

Respighi / Robert Treviño

Es gibt nur wenig Städte, die es zu ihnen ausdrücklich gewidmeter Musik gebracht haben. Ich meine natürlich nicht das Viva Colonia oder den Gruß an Kiel, sondern die ewige Stadt Rom und ihre tönende Urbanität in Ottorino Respighis legendärer Trilogie mit den bildhaft vertonten Brunnen, Festen und Pinien. Komponiert wurden die drei Werke allerdings nicht unmittelbar folgend, sondern über einen längeren Zeitraum hinweg (1916, 1924 sowie 1928). Obwohl Respighi auch als Opernkomponist erfolgreich war, gelten diese drei Partituren, im Allgemeinen noch heute als seine Hauptwerke. Neueinspielungen davon sind hingegen eher

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Bruckner 8 / Paavo Järvi

Bruckner 8 / Paavo Järvi

Es verblüfft mich stets aufs Neue, wenn Dirigenten mit wechselnden Orchester das immer gleiche Repertoire einspielen. Auf die Spitze trieb es einst Karajan, der mit «seinen» Berliner Philharmonikern den Beethoven-Zyklus gleich dreimal für die kleine Ewigkeit festhielt – damit lange Zeit präsent blieb und dem Label anhaltenden Umsatz bescherte. Gerade die großen Namen verleiten zu derartigen Doppelungen – nicht genug damit, dass man sie im Konzertsaal ohnehin in Dauerschleife hört. So nun auch Paavo Järvi. Nicht ausgemacht ist, ob er mit der 7. und 8. Sinfonie von Anton Bruckner einen

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The Synthetists Revisited / Matty Cilissen

The Synthetists Revisited / Matty Cilissen

Synthetisten? Nie gehört? Das ging mir genauso. Um einige Hörerfahrungen reicher, kann ich nun allerdings sagen: Wer in Paris die «Groupe des Six» kennt, der sollte wenigstens einmal von den belgischen «Synthetisten» Kenntnis genommen haben. Der Zugang ist freichlich ein komplett anderer, und es fehlte in Brüssel auch an einem musikästhetischen Zugpferd, wie es in Paris Jean Cocteau war. Wie aber nun lassen sich die in der Musikgeschichte so lange verschollenen «Synthetisten» beschreiben? Sie gründeten sich am 60. Geburtstag von Paul Gilson (1925) eher informell als Les Synthétistes mit dem

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Tubin / Paavo Järvi

Tubin / Paavo Järvi

Das Estonian Festival Orchestra unter der Leitung von Paavo Järvi ist schon lange keine unbekannte Größe mehr. Beim französischen Label Alpha ist nun schon die vierte Produktion herausgekommen – und wieder ist es ein überaus zielsicherer Griff ins Repertoire, der dieses Album besonders werden lässt. Mit zwei Werken steht das Schaffen des estnischen Komponisten Eduard Tubin (1905–1982) im Zentrum, flankiert durch zwei herausragende Werke aus Polen von Grażyna Bacewicz (Concerto, 1948) und Witold Lutosławski (Musique funèbre, 1958) für Streichorchester. Ein dramaturgischer Coup, der zudem die wunderbare Trauermusik von Lutosławski wieder

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Kalinnikow / Mihkel Kütson

Kalinnikow / Mihkel Kütson

Nicht für jeden wird absehbar der Weg an den Niederrhein nach Krefeld oder Mönchengladbach führen. Und so kommt das Orchester der beiden Städte zu uns nach Hause – jedenfalls mit der dritten Folge einer anhaltend spannenden Expedition durch die russische Sinfonik der Jahrhundertwende, mithin Partituren, die weniger in der Nachfolge als vielmehr im Schatten Tschaikowskys stehen. Nach Alben mit Musik von Glazunow (u. a. Sinfonie Nr. 7) und Balakirew (u. a. Sinfonie Nr. 2) ist nun also Vasily Kalinnikow (1866–1901) an der Reihe – ein Komponist, den man wohl kaum

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