25. April 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
Glinka revisited / Viacheslav Shelepov

Glinka revisited / Viacheslav Shelepov

Das «revisited» kennt man sonst aus wissenschaftlichen Aufsätzen, wenn alte Themen und Argumentationen nochmals aus einer neuen Perspektive beleuchtet werden. Bei diesem Album mit Klaviermusik von Michail Glinka (1804–1857) stellt sich jedoch die Frage, ob man sich diesem eher unbedeutenden Teils seines Schaffens überhaupt schon einmal musikpraktisch gewidmet hat, generell und auf einem ansprechenden, hohen Niveau. Am Ende der Überprüfung und Wiederbelebung der kleinformatigen Stücke steht aber eine doppelte Bereicherung: Zum einen wird das Bild des vor allem durch seine beiden großen Opern bekannten Komponisten bedeutend erweitert, zum anderen handelt

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Hans Seeling / Karl-Andreas Kolly

Hans Seeling / Karl-Andreas Kolly

Keine Sorge, wenn Sie den Namen des in Prag geborenen Komponisten Hans Seeling (1828–1862) bisher noch nie gehört haben. Er findet sich weder in einer der großen Enzyklopädien, noch ist er Kennern bekannt; rudimentäre biographische Hinweise finden sich nur im 33. Band des Biographischen Lexikons des Kaiserthums Oesterreich – aus dem Jahre 1877. Wer also war Hans Seeling, und warum haben uns seine Werke, von denen Karl-Andreas Kolly eine wirklich interessante Auswahl eingespielt hat, noch etwas zu sagen? Zunächst geben sie fraglos einen wundervollen Einblick in die Musikwelt der Mitte

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La nuit transfigurée / Trio Karénine

La nuit transfigurée / Trio Karénine

Die Kunst der Interpretation einer Bearbeitung oder eines Arrangements liegt darin, das Original nur mitzudenken, es aber nicht zu imitieren, den nun veränderten Klangeigenschaften der Partitur nachzuspüren, sie von innen heraus zum Leuchten zu bringen, sie eigenständig zu deuten. All dies gelingt dem in Frankreich beheimateten «Trio Karénine» bei seiner Einspielung von Schönbergs glühend-leuchtender Verklärter Nacht geradezu beispielhaft, wenn nicht gar phänomenal. Denn die von Eduard Steuermann stammende Transkription für Klaviertrio, die satztechnisch eher reduziert und klärt als den verwobenen Satz ins Sinfonische weiter verdichtet, wird hier nicht als kammermusikalischer

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Night on Earth / Ulf Schneider

Night on Earth / Ulf Schneider

Bevor es mit der Welt zu Ende geht, rasch noch ein paar schöne Stücke zur guten Nacht – diese Gedanken stellen sich nicht nur angesichts des Covers ein. Zum Glück ist es aber noch nicht so weit. Und so bleiben nur die dunklen Stunden des Übergangs, die schon immer den Geist und die Geister angeregt haben, im Sommer sternenklar romantische Gefühle evozieren und im Winter bei Vollmond alles bitterkalt gefrieren lassen. Einige der nächtlichen Geheimnisse vermag dieses Album vielleicht etwas näher zu fassen, jedenfalls beleuchtet es die Nacht auf 27

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Verklärte Nacht / Hamburg Trio

Verklärte Nacht / Hamburg Trio

Man darf sich bei dieser Verklärten Nacht nicht täuschen lassen. Die von Eduard Steuermann im Jahre 1932 angefertigte Transkription für Klaviertrio stammt nicht aus dem Umkreis des Vereins für musikalische Privataufführungen, sondern versucht das ursprünglich für Streichsextett komponierte Werk in eine viel geläufigere Besetzung zu übertragen, ja vielleicht sogar in die musikalisch anspruchsvolle «gute Stube» einziehen zu lassen. Bekanntlich wirkte Steuermann in der verantwortlichen Position des «Vortragsmeisters» im Verein mit und brachte auch andere Partituren Schönbergs in die Form des Klavierauszugs. Ob nun allerdings die hochemotional glühende Verklärte Nacht als

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Night Music / Vitalii Kyianytsia

Night Music / Vitalii Kyianytsia

Manchmal verschwimmen die Grenzen zwischen Komposition und Improvisation. So auch bei dieser «Nachtmusik» von Vitalii Kyianytsia, einem seit einigen Jah-ren in Deutschland lebenden, aus der Ukraine stammenden Pianisten, der sich darauf versteht, Klassik, Romantik, Jazz und noch viel mehr zu einem eigenen Mix zu verbinden. Seine auf diesem Album versammelten zwölf Stücke versteht er selbst als Zyklus – und in der Tat scheinen sie musikalisch aufeinander zu rea-gieren. Insofern sollte man sich, wenn die Welt da draußen endlich zur Ruhe ge-kommen ist, eine knappe Stunde Zeit nehmen, um sich mitnehmen

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paper moon / Manos Hadjidakis

paper moon / Manos Hadjidakis

Das Cover verspricht nicht zu viel. Es handelt sich um ein durch und durch poetisches Album, wundervoll warm und klar im Klang, vollendet in der Interpretation. Die griechische Gitarristin Elena Papandreou, die zwar in über zwei Jahrzehnten in 40 Ländern aufgetreten ist, aber noch immer als Geheimtipp gelten muss, hat mit paper moon nun ein Projekt realisiert, das als Herzensangelegenheit schon lange nach einer Realisierung verlangte: Ausgangpunkt bilden Lieder von Manos Hadjidakis (1925–1994), der auch hierzulange durch sein Lied «Ein Schiff wird kommen» (1960) wenigstens den älteren Leser:innen noch bekannt

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Henze / Marco Minà

Henze / Marco Minà

Fast zwei Dutzend Aufnahmen von Hans Werner Henzes zweiteiliger Royal Winter Music lassen sich diskographisch recherchieren. Zudem scheinen die von Julian Bream und Reinbert Evers herausgegebenen Ausgaben der beiden Sonaten einen gesicherten Notentext zu besitzen – schließlich haben hier die Interpreten der jeweiligen Uraufführung ihre Erfahrungen mit eingebracht. Denkste! – wird man nach der Lektüre des Booklets laut ausrufen. Denn die beiden ersten Musiker haben nicht nur Fingersätze eingetragen, sondern auch in den Notentext mehr oder weniger stark eingegriffen, so dass manche Sätze eine andere Gestalt annahmen – und mit

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Duarte / Belfort Guitar Duo

Duarte / Belfort Guitar Duo

Was wäre das Gitarren-Repertoire ohne die Werke von John W. Duarte (1919–2004)? Duarte, der zeitweise als Chemiker arbeitete und einige Jahre einen Tabakladen hatte, fand neben seinen Kompositionen erst ab 1974 als Direktor von Cannington International Guitar Summer School and Festival seinen Platz im Berufsleben – ein Amt, das er für 20 Jahre versah und vieles bewegte. Wirft man einen Blick auf sein Œuvre, traut man den eigenen Augen kaum. In einem Zeitraum von über 60 Jahren (zwischen 1941 und 2003) entstanden nicht weniger als 148 gezählte Kompositionen, daneben aber

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Smith Brindle / Duilio Meucci

Smith Brindle / Duilio Meucci

Schon die Biographie von Reginald Smith Brindle (1917–2003) liest sich verblüffend spannend. In der Grafschaft Lancashire geboren, widmet er sich schon früh der Gitarre, der Klarinette und dem Saxophon, später auch der Orgel. Auf Druck der Eltern beginnt er ein Studium der Architektur, abends aber spielt er in Jazz-Formationen. Nach dem Zweiten Weltkrieg widmet sich Smith Brindle schließlich der Komposition; zu seinen Lehren zählen Ildebrando Pizzetti und Luigi Dallapiccola. Schließlich wird er selbst in Bangor Dozent und veröffentlich eine Reihe von Schriften zur zeitgenössischen Musik (u.a. Musical Composition, Oxford 1986).

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Elogio / Krzysztof Meisinger

Elogio / Krzysztof Meisinger

Gegenüber Alben, die sich vor allem als Künstlerportrait verstehen oder sich als solche zu erkennen geben, regt sich bei mir in der Regel ein gewisser Zweifel. Allzu oft rückt hier das Selbstverständnis des Interpreten oder der Interpretin in den Vordergrund – die bloß abgespielten, gelegentlich exekutierten oder auch ins Extreme gesteigerten Partituren verkommen dann zum Vehikel eines nicht einmal mehr künstlerisch geleiteten Egos. Die aktuellen Beispiele dafür sind leider nicht ganz so rar, wie man es bisweilen hofft. Umso schöner sind dann die «Ausnahmen», die doch eigentlich die Regel sein

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Ohana / Olivier Pelmoine

Ohana / Olivier Pelmoine

Noch immer dürfte Maurice Ohana (1913–1992) zu den eher unbekannten Komponisten des 20. Jahrhunderts zählen – dabei notierte bereits 1997 Harry Halbreich in einem CD-Booklet: «Die Tatsache, dass Maurice Ohana einer der ganz großen Komponisten dieses Jahrhunderts war, scheint eines der bestgehüteten Geheimnisse unseres Musiklebens zu bleiben.» Die Gründe dafür sind vielfältig und sind zum einen im Œuvre zu suchen, das zwar breit ist, aber kaum auf wenige Werke fokussiert werden kann; zum anderen in der musikalischen Sprache, die sich dem Versuch einer Etikettierung hartnäckig widersetzt. Darin aber mag gerade

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