8. Mai 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
Peter Sheppard Skærved / Nigel Clarke

Peter Sheppard Skærved / Nigel Clarke

Große sinfonische Violinkonzerte dieser Länge sind rar. Oder anders gesagt: Wer eine konzertant strukturierte Sinfonie schreibt, sollte etwas zu sagen haben. Bei einer Spielzeit von mehr als einer Stunde wird man daher hoffen dürfen, dass der Komponist nicht nur große (melodische) Linien entwirft, sondern auch musikalisches Material stringent durcharbeitet, also aus der Substanz des Tonsatzes heraus eine innere Dramaturgie entwickelt. Um es kurz zu machen: Die Merlin-Sinfonie (2021) des britischen Komponisten Nigel Clarke (* 1960) bleibt in dieser Hinsicht vieles schuldig. Entstanden ist das Werk auf Anregung des Solisten Peter

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Sueye Park / Isang Yun

Sueye Park / Isang Yun

Ich mag diese Fotos, die (wie hier) einen Komponisten vor seinem Hör-Regal zeigen. Dank scharfer Augen, Cover-Kenntnis und ein wenig Phantasie lässt sich da, ohne dass auch nur ein Ton erklungen wäre, viel ablesen – und wenn nicht, dann gewinnt man doch ein Blick auf seinen musikalischen Horizont. So auch bei diesem Foto; es zeigt Isang Yun vor mehreren Reihen MCs (ja, damals war das «klassische» Radio-Programm um Mitternacht noch so interessant, dass wir alle eifrig mitgeschnitten haben) und Langspielplatten – wunderbar! Da finden sich auch ohne Lupe Beethoven-Sonaten mit

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Mikhail Pochekin / Dvořák

Mikhail Pochekin / Dvořák

«Wollen Sie mir ein Violinkonzert schreiben? Recht originell, kantilenenreich und für gute Geiger?» Mit diesen freundlichen Worten lockte der Verleger-Fuchs Fritz Simrock einst Antonín Dvořák zur Komposition eines überaus gelungenen, ferner auch noch mit böhmischen Farben durchsetzten Werkes. Mit der fertigen Partitur stieg Dvořák freilich im Repertoire in den Ring zu Bruch und Brahms, deren Konzerte schon länger erschienen waren. Wie auch bei diesen sollte vor dem Druck der damalige «Stargeiger» Joseph Joachim einen spieltechnischen Blick auf die Solostimme werfen – so wie auch heute noch bei neuen Kompositionen üblich.

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Igor Levit / Fantasia

Igor Levit / Fantasia

Noch einmal Fantasien – wenigstens auf dem Cover dieses Doppelalbums. Denn neben der Chromatischen Fantasie und Fuge von Johann Sebastian Bach und Ferruccio Busonis Fantasia contrappuntistica stehen Franz Liszts monumentale Sonate h-Moll wie auch Alban Bergs einsätzige Sonate op. 1 auf dem Programm. Fraglos eine dramaturgisch radikale Entscheidung (was soll danach noch kommen?), pianistisch aber mit Sicherheit eine tour de force. Den vier Schwergewichten auch noch vier kurze Encores zur Seite zu stellen, ist eigentlich eine schöne Idee, wenn da nicht der Beipackzettel des Labels Igor Levit selbst zitieren würde.

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Georg Arzberger / Fantasie

Georg Arzberger / Fantasie

In der Kammermusik des 19. Jahrhunderts kommt am an Robert Schumanns Fantasiestücken op. 73 nicht vorbei. Dies gilt in erster Linie für alle Klarinettist:innen, aber auch für die Violine und das Violoncello gibt es von den drei hinreißenden Sätzen originale Adaptionen. Doch sie beflügelten auch die Fantasie anderer Komponisten jener Zeit: Nicht zufällig finden sich weitere Werke identischen Titels und ähnlichen Charakters, während es von Schumanns Märchenbildern op. 113 und Märchenerzählungen op. 132 keine direkten Nachfolger gibt. Freilich ist die Idee nicht neu, die schon rezeptionsgeschichtlich zusammengehörigen Fantasiestücke verschiedener Tonsetzer

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Alexander Melnikov / Fantasie

Alexander Melnikov / Fantasie

Die Angaben auf dem Cover entspringen nicht der Fantasie – sie sind selbst fantastisch. Zu hören sind tatsächlich sieben Komponisten und sieben Instrumente. Dass es am Ende acht Werke sind, kann man verzeihen, es spielt auch keine Rolle. Es ist (das sei gleich gesagt) ein Album, wie man es sich nicht besser, instruktiver und verständiger denken kann, und das am Ende zeigt, wie notwendig es ist, Kompositionen für Clavier auf den jeweils zeitgenössischen Instrumenten zu interpretieren – oder zumindest von diesen aus klanglich zu abstrahieren, besonders dann, wenn es ans

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Maximilian Schairer / Gloaming

Maximilian Schairer / Gloaming

Wie kann man die Raunächte am Jahreswechsel musikalisch besser überstehen als mit Fantasien – zumal wenn das Album unter dem passenden Motto Gloaming (Dämmerung) steht? Fraglich bleibt allerdings, was oder wem es hier dämmert. Sind es die Werke selbst, die im weitesten Sinne fantastische Welten eröffnen? Oder bezieht sich die Dämmerung auf den jungen Maximilian Schairer, der mit dieser Debüt-CD bei hänssler classic in den Ring aufstrebender Pianisten steigt? Respekt verdient zunächst das ausgewählte Repertoire, das ganz unterschiedliche Perspektiven bietet: Schuberts Wanderfantasie als zyklisches Schwergewicht, Beethovens Mondschein-Sonate als Evergreen, eine

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Hans Christian Lumbye / Champagne!

Hans Christian Lumbye / Champagne!

Gleich ob Silvesterabend oder Neujahrs-Matinée: Oft genug sind die Programme zu diesen beiden fest gesetzten Konzertterminen vorhersehbar. Wer es eher emphatisch mag, der wird mit Beethovens «Neunter» bestens bedient, wer sich hingegen eher unterhalten möchte (bitte: im besten Sinne des Wortes!), der findet bei der Familie Strauß genug und noch mehr. Kaum jemand wird all die wunderbaren Melodien und mitunter verblüffenden Titel präsent haben. Aber es gab im 19. Jahrhundert auch im Norden einen Meister, der sehr ernsthaft das Repertoire der heiteren Musik mit herausragenden Kompositionen erweiterte, aber in Wien

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Howard Arman / Weihnachtsgeschichte

Howard Arman / Weihnachtsgeschichte

In einer Zeit, in der das Weihnachtsfest zunehmend im Konsum erstickt und alsbald womöglich endgültig säkularisiert zu werden droht, hat der Dirigent, Chorleiter und Komponist Howard Arman (*1954) eine neue Vertonung der Weihnachtsgeschichte mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks vorgelegt. Ein Werk, an dem vieles anders ist, als man es vielleicht erwartet. Zunächst der zugrunde gelegte Text: Er stammt aus dem Protoevangelium des Jakobus – einer Schrift aus der Mitte des 2. Jahrhunderts, die es nicht in den Kanon des Neuen Testaments geschafft hat, allerdings eine uns heute eher bewegende,

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Rimsky-Korsakow / Christmas Eve

Rimsky-Korsakow / Christmas Eve

Die Opern von Nikolai Rimsky-Korsakow (1844-1908) gehören leider nicht zum ständig gespielten Repertoire. Noch seltener gelangte bisher sein opulenter Vierakter Die Weihnacht oder auch Heiligabend auf die Bühne – in Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters sucht man das Werk ebenfalls vergeblich. Dass es sich allerdings um ein Juwel handelt, zeigte 2021/22 das Frankfurter Opernhaus in doppelter Weise: mit einer umjubelten und dann auch ausgezeichneten Inszenierung sowie einer musikalisch auf (gewohnt) sehr hohem Niveau stehenden Realisation unter der Stabführung von Sebastian Weigle. Die märchenhafte Geschichte ist alles andere als einfach nachzuerzählen (und

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Ernst Wilhelm Wolf / Kölner Akademie

Ernst Wilhelm Wolf / Kölner Akademie

Seit mehr als zwei Jahrzehnten kann ich mir Weihnachten nicht mehr ohne eine Repertoire-Entdeckung durch das Label cpo vorstellen. Mit unerschütterlichem Eifer erscheint hier «alle Jahre wieder» – meist aus der reichen mitteldeutschen Schatzkammer – ein Oratorium oder eine Sammlung von Kantaten, gelegentlich auch bisher Unerhörtes aus anderen Regionen und Ländern. Der allseits bekannte «Sechsteiler» von Johann Sebastian Bach bleibt bei dieser anhaltenden Repertoire-Schau zwar unbestritten auf Platz 1 – aber was wäre dieser Platz ohne all die Nachfolgenden? Und so höre ich mich immer wieder gerne durch Agricola, Gebel,

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Johann Hermann Schein / Capricornus Ensemble

Johann Hermann Schein / Capricornus Ensemble

Fast könnte man vermuten, dass die Weihnachtszeit vor allem durch Musik des Barock bestimmt wird. Tatsächlich klingen gerade die Musiken aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts besonders festlich, wenn dort das Jesuskind mit Pauken und Trompeten, den herrschaftlichen instrumentalen Insignien, als «Himmelsfürst» empfangen wird. Man bedenke dann auch die Eröffnung des Bach’schen Weihnachtsoratoriums, bei dem die weltliche Kantate «Tönet, ihr Pauken! Erschallet, Trompeten!» parodiert wird (ihr also ein geistlicher Text unterlegt wurde). Bei der Musik von Johann Hermann Schein (1586–1630) darf man sich nochmals um 100 Jahre zurückdenken. Auch

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