4. Juli 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

forgotten arias

forgotten arias
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Hand aufs Herz: Nicht nur zahlreiche Arien aus der langen Epoche des Barock sind längst vergessen (wie der Titel und das Repertoire dieses Albums ver-spricht), sondern auch die allermeisten der damals komponierten Opern. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Zahlreiche Opernhäuser in den musikalischen Metropolen hatten Jahr für Jahr einen kaum bezifferbaren «Bedarf» an neuen Werken zu den vielfach immer gleichen Libretti. Allein Metastasios L’Olimpiade und L’Artaserse wurden von über 90 Komponisten vertont. Es ging um Topoi und Typen, um Musik und Moneten. Die Oper war ein durchorganisiertes Geschäft mit zahlreichen Premieren, dem Kampf um die Gunst des Publikums und der jeweils drohenden Absetzung vom Spielplan.

Insofern bleibt dieses schöne Album mit einem interessanten Querschnitt herausragender Arien aus der (früheren) zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch nur kleiner Mosaikstein, um die gesamte musikalische Breite der Bühnen und Gräben zu erkunden. Die vom Solisten Philippe Jaroussky selbst vorgenommene und auch im Booklet kommentierte Auswahl lässt dabei ein wenig die Herausforderungen aufscheinen, die in sich gerundeten Interpretationen lassen diese dann auch gleich wieder vergessen. Jaroussky nähert sich mit seinem klanglich runden und wunderbar gestaltungssicheren Countertenor den einzelnen Nummern weder mit aufgesetzter Dramatik noch mit virtuosem Selbstzweck. Mit dem Orchester Le Concert de la Loge und Leitung von Julien Chauvin wurde ein Ensemble verpflichtet, das in jedem Takt nicht nur begleitet, sondern auch selbst etwas zu sagen hat. Ein Hinweis für Freunde der Musik von Johann Adolf Hasse: mit der Sinfonia und zwei Arien (geschrieben für Giovanni Carestini) ist die Oper Demofoonte (1748) sehr präsent vertreten.


forgotten arias

  • Andrea Bernasconi. «Siam navi all’onde algenti», aus: L’Olimpiade;
  • Christoph Willibald Gluck. «Sol può dir come si trova», aus: Il re pastore;
  • Niccolò Piccinni. «Che giurai? Che promisi?», «Che legge spietata» aus: Vatone in Utica;
  • Giovanni Battista Ferrandini. «Gelido in ogni vena»;
  • Tommaso Traetta. «Dove son? che m’avenne?», «Gemo in un punto, e fremo» aus: L’Olimpiade;
  • Michelangelo Valentini. «Se mai senti spirarti sul volto» aus La clemenza di Tito;
  • Johann Adolph Hasse. Sinfonia, «Na che vi fece, o stelle», «Sperai vicino il lido», «Misero pargoletto» aus: Demofoonte;
  • Johann Christian Bach «Per quel paterno amplesso», aus: Artaserse;
  • Niccolò Jommelli. «Fra cento affanni» aus: Artaserse

Philippe Jaroussky (Countertenor), Le Concert de la Loge, Julien Chauvin
Erato 5054197633881 (2022)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 3 von 3 in Michael Kubes HörBar #160 – forgotten music

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