Pisma String TrioDas Kompositionsdatum ist in beiden Fällen überraschend. Sowohl das seriöse und mit einer Spielzeit von mehr als 30 Minuten auch gewichtige Streichtrio von Florent Schmitt (1870–1958) als auch der vielteilige Zyklus La Muse ménagère von Darius Milhaud (1892–1974) entstanden 1944. Von dem damals allgegenwärtigen Kampf in Europa ist in beiden Werken nichts zu verspüren – und doch handelt es sich nicht um gefällige Musik. Im Gegenteil versteht es Schmitt auf höchst interessante Weise, das Streichtrio klanglich aufzuwerten und zu edeln, es gleichsam zu nobilitieren. Die 15 ursprünglich für Klavier komponierten Stücke mit dem Titel La Muse ménagère (Die Haushaltsmuse) sind hingegen kleine Miniaturen, die als Studien zu einzelnen Ausdruckscharakteren gründlich ausgearbeitet wurden – sowohl im Original als auch in den hier eingespielten Arrangements.
Das bereits 2002 gegründete Prisma String Trio, das hierzulande weitgehend unbekannt ist, hat sich nicht nur für das Cover des Albums eine wunderbare Szenerie ausgedacht, sondern spielt die Werke auch als Kammermusik – und dies, obwohl (oder gerade weil) die Aufnahmen in einer alten niederländischen Holzkirche gemacht wurde. Es ist eben auch immer eine Frage, wie und wo mikrophoniert wird – eine Frage, die nicht nur die Tonmeisterei, sondern auch das Ensemble betrifft, das sich für ein bestimmtes Klangkonzept entscheidet. Der angenehm dichte und warme, jedoch nicht aufdringlich direkte Klang erweist sich jedenfalls als glücklich für beide Kompositionen. Dass sich das ausgewogen musizierende und in die Partituren hineinhörende Prisma String Trio im Konzert und auf Tonträger so wenig präsentiert, ist bedauerlich – aber vielleicht auch eine Anregung.
Florent Schmitt. Streichtrio op. 105 (1944); Darius Milhaud. La Muse ménagère op. 245 (1944) (Arr. für Streichtrio von Bob Gilmore, Petra Griffioen, Tim Kliphuis, Marijn van Prooijen)
Prisma String Trio Cobra 0080 (2020)
Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.